Vor fünf Jahren stand die Formel 1 vor dem Abgrund. Teams wie Manor und Caterham waren unter dem Kostendruck zusammengebrochen, Sauber in Hinwil konnte seine Löhne nicht mehr pünktlich bezahlen. Die Mercedes-Dominanz verbreitete Langeweile, das Publikum wandte sich zum Teil ab.

Gründe für die Krise gab es viele. 2014 hatte die Formel 1 auf Drängen der Automobilkonzerne neue Motoren eingeführt: V6-Turbo-Hybrid statt V8-Verbrenner. Umweltschonende, revolutionäre Technik: Wiederverwertung von Brems- und Turboenergie. Die Formel 1 sollte wieder zur Speerspitze der technischen Entwicklung in der Serienproduktion werden. 

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Gut gemeint und absolut zeitgemäss, aber die Vollgasbranche war noch nicht bereit dafür. 

Grosses Aufstöhnen in der Königsklasse

Die Teams stöhnten auf, weil die neuen Motoren um ein Vielfaches teurer waren als die V8-Verbrenner. In Fan-Foren wurde der Sound der neuen Turbomotoren bemängelt: «Viel zu leise!» Der damalige Rechte-Inhaber Bernie Ecclestone schlug sich auf die Seite der Kritiker und wetterte in aller Öffentlichkeit gegen die neue Motorenformel; auch Sebastian Vettel monierte, er würde lieber zu V12-Motoren zurückkehren.

Das Schlimmste aber für die Königsklasse: Mercedes-Benz war in der Hybridtechnologie weit voraus und legte die Basis für die bislang längste Dominanzperiode eines Rennstalls. Seit 2014 hat Mercedes jedes Jahr die Konstrukteure-WM gewonnen.

So etwas schadet dem Geschäft. Kommt dazu, dass die grosse Errungenschaft, die Hybridmotoren, die wohl effizientesten, die es im Motorsport gibt, wegen der ständigen Streitereien in der breiten Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wurde.

Skepsis auf breiter F1-Front

Vor fünf Jahren herrschte Chaos und Untergangsstimmung in der Formel 1, bis Bernie Ecclestone abtrat. Seine Verdienste für den Rennsport sind unbestritten, aber es war höchste Zeit. Liberty Media übernahm – ausgerechnet ein US-amerikanisches Unternehmen, wo es doch die Formel 1 in Jahrzehnten nie geschafft hatte, in Nordamerika Fuss zu fassen.

Die ersten Neuerungen stiessen auf breite Skepsis. Ein neues Logo, eine Formel-1-Hymne – und der grösste Impact: Die Grid-Girls wurden abgeschafft. Ablehnung überall. Zugegeben, auch ich fand die Neuerungen höchst oberflächlich. Und als Wortführer der Opposition meldete sich erneut Sebastian Vettel.

Das Logo ist heute akzeptiert, die Hymne hat Kultstatus und die Grid-Girls erscheinen als Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Mit einer starken Marketingstrategie haben Liberty und der internationale Automobilsportverband FIA die Formel 1 auf Erfolgskurs zurückgeführt:

  • Budget-Cap
    In diesem Jahr werden (endlich) die Ausgaben der Teams limitiert. Die Einnahmen werden gerechter verteilt. Die kleinen Teams werden gestärkt – das soll ausgeglichenere und spannendere Rennen garantieren. Die grossen Teams wie Ferrari, Mercedes und Red Bull haben sich lange gegen eine Budgetlimite gesperrt. Inzwischen sind sie zur Einsicht gelangt, dass auch sie davon profitieren, wenn die Rennen abwechslungsreicher werden.

 

  • Netflix 
    Die Serie «Drive to Survive» ist ein Renner, sie trifft einen Nerv. Inhalte und Machart werden zwar F1-intern heftig diskutiert, der Promo-Effekt aber ist gigantisch. Die Einsichten ins Innerste der Rennställe haben vor allem bei Jugendlichen grosses Interesse geweckt. Das Durchschnittsalter des TV-Publikums ist deutlich gesunken.
     
  • E-Sport und Social Media
    Jedes Formel-1-Team unterhält sein E-Sport-Team. Durch die Pandemie wurden die virtuellen Rennen zusätzlich befeuert, als Alternative, bis die Rumpfsaison 2020 beginnen konnte. Auch hier wurde das Interesse der jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer geweckt.
     
  • Das epische Duell Verstappen gegen Hamilton
    Der enge Titelkampf zweier Topfahrer aus zwei verschiedenen Rennställen war ein Glücksfall. Eine solche Konstellation hatte es seit Jahren nicht mehr gegeben. Dies befeuerte das Interesse des Publikums, endlich wurde die Mercedes-Dominanz gebrochen, zumindest in der Fahrer-WM. Obwohl die ersten acht Rennen 2021 noch weitgehend ohne Zuschauer und Zuschauerinnen abgehalten wurden, resultierte zum Schluss ein Rekordumsatz. Damit konnten die Verluste des Corona-Jahres 2020 mit 17 Rennen ohne Publikum weitgehend abgefedert werden.
     
  • «We Race as One»
    Die Formel 1 setzt auch politische Akzente. Mit den Aushängeschildern Lewis Hamilton und Sebastian Vettel hat sich die Königsklasse gegen Rassismus und für Inklusion und Diversität eingesetzt. Selbst für mich war überraschend, wie schnell die Formel 1 auf den russischen Einmarsch in die Ukraine reagierte und den Russland-GP aus dem Kalender warf.

Das Jahr 2022 wird für die Formel 1 richtungsweisend. Nicht nur die Budgetdeckelung, auch die neuen Chassisregeln sollen für ausgeglichenere Rennen, mehr Rad-an-Rad-Zweikämpfe, mehr Spannung sorgen.

Die Budgetdeckelung hat schon Auswirkungen gezeigt: Der Volkswagen-Konzern hat nicht nur Interesse, mit den Marken Porsche und Audi auf Motorenseite einzusteigen. Er war auch dabei, als im vergangenen Jahr der internationale Motorsportverband FIA, Liberty und die Motorenhersteller sich auf die neue Motorenformel einigten, welche ab Mitte der 2020er Jahre gelten soll. 

Und Mercedes wird über die schmerzliche Niederlage in der Fahrer-WM hinwegkommen. Der Formel-1-Rennstall machte 2021 einen «soliden Gewinn», wie Teamchef Toto Wolff verlauten liess. Mit anderen Worten: Die Marke Mercedes erhielt im vergangenen Jahr über sechzig Stunden weltweite TV-Präsenz als erfolgreiches Spitzenteam allein in den Live-Übertragungen, dazu Tausende Schlagzeilen in Print- und Online-Medien. Eine unbezahlbare Imagewerbung – zum Nulltarif!

Formel 1 in der Schweiz

TV-Ereignis

Der Publikumsdurchschnitt der sonntäglichen Formel-1-Übertragungen auf SRF zwei nahm zwischen 2018 und 2021 um 31 Prozent auf 180 000 Personen aus der Deutschschweiz zu. Das ist der zweithöchste Durchschnittswert seit der Umstellung der Messmethode im Jahr 2013. Spitzenreiter ist das Jahr 2013 mit durchschnittlich 203 000 Zuschauenden aus der Deutschschweiz.

Livestreams

Alle Formel-1-Rennen, die SRF im TV überträgt, zeigt SRF parallel als Livestream auf den Online-Plattformen. Bemerkenswert: 2021 erzielten die Livestreams der oben analysierten Rennen auf den SRF-Online-Plattformen durchschnittlich 88 000 Starts. Dieser Wert entspricht einer Zunahme um 213 Prozent seit 2018 (28 000 Livestream-Starts).

Altersstruktur

Die These, dass das Formel-1-Publikum im TV in den letzten Jahren jünger wurde, kann nicht bestätigt werden. Allerdings: Der Marktanteil in der Zielgruppe der 15- bis 49-Jährigen ist zwischen 2018 und 2021 um mehr als 10 Prozentpunkte auf 24,6 Prozent gestiegen. Folglich verfolgte 2021 jede vierte Person im Alter zwischen 15 und 49, die zum jeweiligen Zeitpunkt TV schaute, das Formel-1-Rennen auf SRF zwei.

Fazit

Die Formel 1 erfreut sich beim Schweizer TV-Publikum nach wie vor grosser Beliebtheit. Auch die jüngeren TV-Nutzenden schalten in grosser Zahl ein. Zusätzlich zum Konsum im klassischen Fernsehen ist die Nutzung auf den Online-Plattformen in den letzten Jahren rasant angestiegen. Es ist anzunehmen, dass mit den Formel-1-Livestreams – analog dem generellen Medienwandel – ein vergleichsweise junges Publikum angesprochen wird (spezifische Zahlen zur Altersverteilung bei den Livestreams zur Formel 1 liegen nicht vor).

Porsche prüft den Einstieg in die Formel 1

Ein Einstieg von Porsche in den Rennzirkus Formel 1 wird offenbar konkreter. Vorstandschef Oliver Blume sagte am Freitag bei einer Videokonferenz zur Bilanzpräsentation, Porsche prüfe eine Teilnahme an der Rennserie, es gebe aber keine Entscheidung. Die Sportwagentochter von Volkswagen habe mit Interesse das Votum des Motorsport-Weltverbandes FIA für umweltfreundlichere Antriebe ab 2026 verfolgt. Er bezeichnete diese als «sehr zukunftsweisend».

«Das neue Reglement beobachten wir natürlich», sagte Blume auf eine entsprechende Frage. Es gehe in die richtige Richtung einer Weiterentwicklung der Formel 1, die sich damit klare Nachhaltigkeitsziele gesteckt habe. Man werde das intensiv prüfen und dann entscheiden, ob das etwas für Porsche sei oder nicht.

Mit einem Einstieg sowohl von Porsche als auch der Schwestermarke Audi in die Rennserie wird schon länger gerechnet. In der Branche gilt er als wahrscheinlicher, seit die FIA den Weg für eine Elektrifizierung der Antriebe frei gemacht hat.

(reuters/mbü)