Eines hat Microsoft-Chef Satya Nadella bei der Vorstellung des neuen Windows 10 klargestellt: Er will den Softwarekonzern auf direktem Weg in die Zukunft führen. Anders als sein Vorgänger Steve Ballmer lässt Nadella innovative Entwicklungen aus den Labors des Konzerns nicht in den Regalen verstauben, sondern holt sie auf die grosse Bühne. So gelang es dem Kinect-Team auf der Windows 10-Veranstaltung mit der neuartigen Computerbrille HoloLens denn auch aus dem Stand, dem Flaggschiff Windows die Show zu stehlen. HoloLens agiert unabhängig vom Computer und projiziert dem Nutzer in die reale Umgebung virtuelle, holographische Gegenstände.

An der Vorstellung der neuen Computer-Brille HoloLens lässt sich auch erahnen, wie sehr Ballmer die Innovationskraft des Konzerns möglicherweise über Jahre ausgebremst hat. Mit viel Enthusiasmus zeigt sich nun Microsoft und präsentiert seine Visionen der digitalen Zukunft. Dabei geht die HoloLens einen ganz anderen Weg als Google mit seiner umstrittenen Datenbrille Glass oder Oculus und Sony mit ihren Brillen für Rift und Morpheus für virtuelle Realitäten. Microsoft bietet den Entwicklern in Windows 10 die nötigen Schnittstellen sowie mit der Software HoloStudio ein geeignetes Instrument für das Programmieren eigener Anwendungen.

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«Sehr, sehr lange Zeit vermisst»

«Es ist eine grosse Überraschung und bestimmt ein Risiko, diese Art von Technologie zum Konsumenten zu bringen», sagte Michael Silver, Analyst bei Gartner der Finanzagentur Bloomberg. Letztlich stelle Microsoft damit aber einige seiner Visionen für die Zukunft unter Beweis, was man an dem Unternehmen seit sehr, sehr langer Zeit vermisst habe.

Sollte HoloLens erfolgreich sein, könnte diese Art der virtuellen Realität grundsätzlich die Interaktion der Menschen mit Maschinen um einen neuen Weg erweitern, wie es die Computer-Maus in den 90er Jahren und Apples iPhone 2007 getan haben, schätzt James McQuivey von Forrester. Die Marktforscher gehen davon aus, dass diese Art der Nutzung sich bis 2020 schon etablieren könnte. Den grössten und schnellsten Erfolg dürfte Microsoft zunächst im Spiele- und Entertainment-Bereich haben, sagte McQuivey. Im beruflichen Einsatz etwa als Instrument für die Zusammenarbeit in Teams oder für Trainingszwecke sieht Forrester gute Einsatz-Szenarien.

Bill Gates ist begeistert

Doch das eigentliche Thema des Abends war das neue Windows 10, mit dem Nadella ein ganz neues Kapitel in der Geschichte von Microsofts Betriebssystemen aufschlagen will. Selbst von Bill Gates, einstiger Mitgründer von Microsoft, der sich seit langem aus dem Geschäft herausgehalten hat, gab es grosses Lob. Er sei begeistert, sagte Gates dem «Wall Street Journal». Die Neuerungen an dem Betriebssystem bezeichnete er als «bahnbrechend». «Ich bin gespannt auf die Reaktionen.»

Noch nie hatte Microsoft zuvor so viele Anwender in die Weiterentwicklung seines Betriebssystems mit einbezogen. Seit September hätten rund 1,7 Millionen Nutzer an einem Insider-Programm teilgenommen und mit ihren Vorschlägen und Kritik zur Verbesserung der Software beigetragen, sagte Microsoft-Manager Terry Myerson. Nun lädt Microsoft auch Interessierten ein, sich an der Entwicklung der Plattform, die noch in diesem Jahr auf den Markt kommen soll, zu beteiligen. Dazu könne sich jeder unter windows.com anmelden. Aktuelle Versionen von Windows 10 für den PC würden kommende Woche zum Testen zur Verfügung stehen, eine Version für Smartphones werde im Februar folgen.

Alte Fehler nicht wiederholen

Alte Fehler will Microsoft nicht wiederholen: Windows 10 soll sich den individuellen Bedürfnissen der Nutzer smart anpassen. Mehr noch: Nadella will mit der neuen Software auch die Emotionen der Nutzer ansprechen. Die 1,5 Milliarden Nutzer des Systems sollen Windows nicht mehr als notwendiges Übel für die kreative Arbeit in Beruf und Freizeit verstehen, sondern sie sollen es «lieben lernen». Und auch weitere Milliarden Menschen sollen sich dazu entscheiden, Windows zu ihrem Zuhause zu machen.

Erstmals sieht Microsoft mit Windows 10 eine einheitliche Plattform für alle Gerätekategorien vor, die Software soll auf grossen PCs und Servern, auf der Spielekonsole Xbox One wie auch auf Smartphones laufen. Daten sollen bruchlos über den Cloud-Speicher OneDrive ausgetauscht werden. Xbox-Chef Phil Spencer demonstrierte denn auch die neuen Möglichkeiten, etwa ein Spiel auf der Konsole zu unterbrechen und auf dem PC-Bildschirm weiterzuspielen. Jedes Windows-10-Gerät werde eine Xbox-App haben, über die der Nutzer auf alle Spiele, Mitspieler, die eigene Freundesliste und die Nachrichteneingänge zugreifen lässt, erklärte Spencer.

(awp/ccr)