Emmanuel Macron feiert einen haushohen, aber keinen rauschenden Wahlsieg. Bei der Parlamentswahl in Frankreich erobert das Bündnis des sozialliberalen Präsidenten laut Hochrechnungen mehr als 350 von 577 Abgeordnetenmandaten.

Das ist eine satte absolute Mehrheit, doch deutlich weniger als erwartet. Zudem schmälert eine historisch niedrige Wahlbeteiligung den Erfolg.

Doch diese Schönheitsfehler dürften bald vergessen sein: Mit seiner deutlichen Mehrheit in der Nationalversammlung kann der junge Staatschef durchregieren. Bei seinen Reformvorhaben, insbesondere der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, will Macron schnell Fakten schaffen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ergebnis war erwartet worden

Der klare Sieg für den Präsidenten war keine Überraschung mehr: Schon in der ersten Wahlrunde vor einer Woche hatte Macrons La République en Marche die anderen Parteien deklassiert. Bei der entscheidenden zweiten Wahlrunde startete die junge Partei am Sonntag aus der Pole Position - und liess die politische Konkurrenz weit hinter sich.

Doch Meinungsforscher hatten einen noch deutlicheren Sieg vorausgesagt. Bis zu 470 Abgeordnetenmandate schienen möglich für das Präsidentenbündnis. Offenbar wollten die Franzosen ihrem erfolgsverwöhnten Staatschef aber keinen allzu grossen Triumph gönnen.

«Zur Demut verpflichtet»

Ausserdem lag die Wahlbeteiligung so niedrig wie noch nie bei einer Parlamentswahl in Frankreich, Schätzungen zufolge zwischen 42 und 44 Prozent. «Das verpflichtet das Siegerlager zu viel Demut», sagt der Wahlforscher Yves-Marie Cann. «Der grosse politische Fehler wäre es, zu laut 'Sieg' zu schreien und davon auszugehen, dass die Franzosen ihm einen Blankoscheck ausgestellt haben.»

Auch Regierungssprecher Christophe Castaner räumte ein, dass die Wähler dem Präsidenten keinen «Blankoscheck» ausgestellt hätten. Der wahre Sieg sei aber ohnehin nicht der am Wahltag - «den wahren Sieg wird es in fünf Jahren geben, wenn die Dinge sich wirklich geändert haben».

Reformvorhaben schnell vorantreiben

Die Regierung richtet den Blick bewusst nach vorne, der seit einem Monat amtierende Präsident will mit der neuen Parlamentsmehrheit im Rücken sofort zentrale Reformvorhaben vorantreiben. Schon am kommenden Mittwoch sollen umstrittene Gesetzesverschärfungen im Anti-Terror-Kampf das Kabinett passieren.

Eine Woche später will Macron einen wichtigen Schritt hin zu seiner ebenfalls umstrittenen Arbeitsmarktreform gehen: Das Kabinett wird ein Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen, damit er das Arbeitsrecht durch Verordnungen und nicht über den klassischen parlamentarischen Weg lockern kann. Das Parlament muss ihm den Rückgriff auf Verordnungen erlauben, ist dann bei der Reform selbst aber aussen vor.

Geschwächte Opposition

Grossen Widerstand von den Abgeordneten muss Macron nicht befürchten: Der Präsident verfügt jetzt über eine höchst solide Regierungsmehrheit. Und die Abgeordneten seiner Partei - viele von ihnen Politik-Neulinge - dürften Macron, dem sie ihre Wahl verdanken, treu ergeben sein.

Ihnen wird eine geschwächte Opposition gegenübersitzen: Die Sozialisten erlitten eine historische Schlappe, auch die Konservativen mussten massive Verluste hinnehmen. Bei beiden Parteien gibt es zudem viele Abgeordneten, die für Macrons Reformen stimmen dürften.

Fundamentalopposition wird es von der rechtspopulistischen Front National geben, deren Chefin Marine Le Pen erstmals in die Nationalversammlung einzieht, und von der Bewegung Das unbeugsame Frankreich des linken Volkstribuns Jean-Luc Mélenchon.

Weitgehend freie Fahrt

Doch Macrons Parlamentsmehrheit ist zu deutlich. Die wahre Opposition könnte deswegen von der Strasse kommen. Einige Gewerkschaften haben schon Widerstand gegen Macrons Arbeitsmarktreform angekündigt, die der Präsident noch im September unter Dach und Fach bringen will.

Einen heissen Herbst erwarten Beobachter aber eher nicht. «Die letzten Protestbewegungen, wie jene gegen die Arbeitsmarktreform im vergangenen Jahr, sind alle besiegt worden», sagt der Politologe Jérôme Sainte-Marie. «Das führt zu einer Demoralisierung.» Macron hat also weitgehend freie Fahrt für seinen Reformkurs.

(sda/ccr)