Mit einem von «Bilanz» geschätzten Vermögen von elf bis zwölf Milliarden Franken gehört Hansjörg Wyss zu den reichsten Schweizern. Zum Multimilliardär wurde der heute in den USA lebende Berner dank dem Verkauf seines Orthopädiekonzerns Synthes. Doch die Vergangenheit holte Wyss zuletzt ein. Der Synthes-Gründer musste sich in den USA vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Er soll Ärzte zu tödlichen Versuchen mit einen Knochenzement angestiftet haben.

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Von Klagen freigekauft

Nun legten Wyss und Synthes den Streit mit einem Vergleich bei. Der Schweizer Milliardär sowie seine ehemalige Firma haben sich von Klagen um unbewilligte Wirbelsäulenoperationen freigekauft, die tödlich endeten. Die Details des Vergleichs bleiben unter Verschluss.

In einem Zivilverfahren um eine der Operationen befanden die Geschworenen am vergangenen Freitag in Seattle einen Arzt für nicht schuldig. Mit 10 zu 2 Stimmen entschied die Jury, dass der Tod der 67-jährigen Patientin nicht durch eine Fahrlässigkeit seitens des Chirurgen oder seines Arbeitgebers, der Universität des Staates Washington, verursacht wurde.

Die Anklage hatte dem Arzt vorgeworfen, den Knochenzement Norian für Wirbelsäulen-Operationen verwendet zu haben, obwohl die Behörden keine Bewilligung erteilt hatten. Zusammen mit dem Chirurgen wurde zu Prozessbeginn auch der Hersteller von Norian, Synthes, angeklagt. Das Medizintechnikunternehmen gehörte damals Hansjörg Wyss.

Einigung vor Schlussplädoyers

Wyss und seinem Führungsstab wurde vorgeworfen, Menschenversuche mit Norian-Einspritzung bei Wirbelsäulen-Operationen vorangetrieben zu haben, obwohl es dafür keine behördliche Zulassung gab.

Kurz vor den Schlussplädoyers aber schlossen die Anwälte von Wyss und Synthes - das Unternehmen gehört heute dem Pharmariesen Johnson & Johnson - einen Vergleich mit den Klägern ab. Die Parteien haben laut dem Anwalt der Kläger, Rick Friedman, Stillschweigen über die Höhe der Vergleichssumme und den Inhalt des Abkommens vereinbart. Gegen Synthes laufen weitere, ähnlich gelagerte Verfahren.

Nicht die erste Untersuchung gegen Synthes

Die Arzneizulassungsbehörde FDA nahm bereits vor zwölf Jahren eine Untersuchung gegen Synthes auf, nachdem Probleme mit Norian bekannt wurden. 2007 forderte die FDA Synthes auf, ein neues Etikett für Norian zu verwenden, das explizit besagt, dass der Knochenzement nicht für die Verwendung in der Wirbelsäule gebraucht werden darf.

2009 wurde die Firma für klinischen Studien mit Knochenzement am Menschen angeklagt. Vier Führungskräfte erhielten Gefängnisstrafen, Wyss selber war nicht angeklagt. Das Unternehmen musste über 23 Millionen Dollar Bussen und Strafe bezahlen.

Für Überraschungen gut

Johnson & Johnson (J&J) hat Synthes 2012 für 19,7 Milliarden Dollar erworben und die Firma in seine Abteilung für medizinische Geräte, DePuy, integriert. Der damals überraschende Verkauf an Johnson & Johnson war typisch für Wyss.

Jahrelang suchte er seinen Nachfolger auf dem Chefsessel. Die Kandidaten kamen – und sie gingen noch schneller. Unmöglich schien es, an Wyss’ Seite zu bestehen. So führte er Synthes immer weiter als CEO und Verwaltungsratspräsident. Als er 2005, im Alter von 70 Jahren, keine Anstalten machte, seinen Posten zu räumen, war in seinem Umfeld der Glaube an ein freiwilliges Abtreten dahin. Zwei Jahre später präsentierte er an der Generalversammlung Michel Orsinger als Nachfolger.

Analoges geschah wohl bei der Milliarden-Übernahme von Synthes durch Johnson & Johnson: Schon länger streckte J&J die Fühler in die Medtech-Branche aus. Fragen zu einer Synthes-Übernahme tat Hauptaktionär Wyss jeweils mit einem Lächeln ab. Die Verhandlungen seien kurz gewesen, hiess es. Wahrscheinlicher war aber, dass die beiden Parteien jahrelang über ein Zusammengehen brüteten. Wyss habe fast 20 Jahre lang den Kontakt zu den Spitzen von J&J gepflegt, berichteten Vertraute.

(awp/sda/ccr)