Das Entsetzen über den Terrorangriff der Hamas ist auch in der Schweiz gross. Und dennoch tut sich die Schweiz so schwer damit, Hamas und Hisbollah als das anzuerkennen, was sie sind: Terrororganisationen. Und schiebt formale Gründe vor: Es fehle die Gesetzesgrundlage.

Diese Begründung kommt von einem Mitglied des Parlaments, dessen Kernfunktion die Gesetzgebung ist. Wenn ein Gesetz etwas nicht ermöglicht, bei dem man der Meinung ist, dass es möglich sein sollte, dann müsste man zumindest versuchen, das Gesetz zu ändern. Passiert dies nicht, droht die Schweiz unter Verdacht zu geraten, dass sie gar nicht will. Erst vier Tage nach dem Massaker äussert der Bundesrat die Ansicht, Hamas sei als Terrororganisation zu qualifizieren. Zur Hisbollah kein Wort.

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Die Schweiz führt in der Frage der Neutralität stets ihre Vermittlerrolle und die Guten Dienste als Argument an: Diese würden im Nahostkonflikt unterminiert, wenn die Schweiz Partei ergreifen würde. Das erinnert frappant an den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die so verzweifelt benötigte Munition sowie Kampfpanzer aus Schweizer Beständen werden von der Schweiz partout nicht freigegeben. Das Argument auch hier: die Neutralität. Die Ukraine ist Kriegspartei, und daher seien Lieferungen oder Wiederausfuhren gemäss geltendem Recht nicht erlaubt.

Die Schweiz stösst ihre Partner vor den Kopf

Das Abschlachten von Zivilisten und Zivilistinnen durch die Hamas und die Haltung der Schweiz ihr gegenüber rücken nun erneut die Frage in den Fokus, ob die Schweizer Neutralität sich von einem Standortvorteil in einen Standortnachteil zu wandeln droht. Denn die Stärke dieser Position hängt massgeblich davon ab, wie das Ausland diese Neutralität wahrnimmt.

Im Ukraine-Konflikt lässt sich sagen, dass die Schweizer Haltung nicht funktioniert. Im Konflikt selbst sind die Guten Dienste der Schweiz nicht gefragt, stattdessen hat Nato-Mitglied Türkei im Getreidestreit vermittelt. Russland sieht die Schweiz längst als Kriegspartei an, weil das Land die Sanktionen übernommen hat. Gleichzeitig sind die westlichen Partner frustriert, dass die Schweiz bei Waffenlieferungen selbst an Alliierte so zurückhaltend ist, weil ja auch die Ukraine Kriegspartei sei. Die zwei grössten Handelspartner der Schweiz, die EU und die USA, haben das nicht verstanden und werden das nie verstehen.

Das lange Zögern im Nahostkonflikt droht nun ebenfalls vom Ausland missbilligt zu werden. Denn die Al Kaida und den Islamischen Staat hat die Schweiz sehr wohl als Terrorgruppen eingestuft. 

Doch dies geschah nicht, weil das etwa dem Wertekanon Europas entsprechen würde, auf den sich die Schweiz beruft. Sondern aufgrund einer Ausnahmeregelung im Nachrichtendienstgesetz: Nur, wenn die Gefahr für die Schweiz von innen oder aussen gross genug ist, dann kann die Schweiz diese Einstufung vornehmen.

Mit dieser Nabelschau setzt sich die Schweiz nicht für den Frieden ein, sondern verweigert eine klare Haltung, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen will. 

Konsequenzen für den Standort Schweiz

Das könnte längerfristig auch zu einem Standortproblem werden. Denn dann geht es um Geld, Unternehmen, Produkte, Umsätze und Jobs, wenn EU und USA einen Bogen um die Schweiz machen sollten. Weil man nie weiss, ob etwa dringend benötigte Ausfuhren klappen, wie im Fall von Kriegsmaterial für die Ukraine. Warum sollte man künftig also in Produktionen und Firmen investieren, die in diesem Geschäft tätig sind?

Die Schweiz braucht einfach zu lange, um zu einem Ergebnis zu kommen, wenn es brennt. Und oft ist das Ergebnis nicht eindeutig und nachhaltig genug, dass dies von für die Schweiz wichtigen Partnerstaaten gewürdigt werden könnte.