Deutschlandweit vergleichbare Lebensverhältnisse verspricht das Grundgesetz allen Bundesbürgern. Doch in Wirklichkeit liegen Welten zwischen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern oder Bremen und Sachsen.

Wie gross die regionalen Unterschiede in vielen wichtigen Aspekten des Alltags sind, zeigen neue Daten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). Süddeutschland hat danach nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in puncto Sicherheit mehr mit Schweizer Kantonen gemein als mit den neuen Bundesländern oder der norddeutschen Küste.

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Bayern ist nicht nur bei der Beschäftigung mit einer Erwerbslosenquote von lediglich 3,2 Prozent Spitzenreiter in Deutschland, dicht gefolgt von Baden-Württemberg. Auch beim durchschnittlichen Haushaltseinkommen hängen die beiden Südländer alle anderen Bundesländer ab.

In Sachsen-Anhalt sterben die Menschen im Durchschnitt fast drei Jahre früher als im Schwabenland. Und das Risiko, ermordet zu werden, ist in Brandenburg zweieinhalb mal grösser als im Süden der Republik.

In Frankreich sehr grosse Unterschiede

Ob Sicherheit, Wohlstand oder Gesundheit wie die OECD-Forscher feststellen, hängen viele wichtige Faktoren der Lebensqualität nicht so sehr von dem jeweiligen Land ab, in dem man lebt, als vielmehr von der Region.

Das gilt nicht nur für Deutschland, das nach der Wiedervereinigung ökonomisch eine extreme Schere zwischen Ost und West aufwies, die sich auch nach zwei Jahrzehnten noch nicht geschlossen hat. Auch zwischen Nord und Süd ist das Gefälle erheblich, wobei allerdings das wohlhabende Hamburg und das strukturschwache Saarland nicht in diese Einteilung passen.

In den USA und auch in Frankreich sind die regionalen Unterschiede sogar noch grösser als hierzulande. Amerikaner, die in Connecticut oder Vermont leben, haben eine um fünf Jahre längere Lebenserwartung als die Einwohner in West Virginia oder Mississippi.

Auch beim Einkommen kann in den USA von einheitlichen Lebensverhältnissen keine Rede sein, wie die OECD-Daten zeigen. So hat ein Haushalt in Mississippi, Montana oder Georgia durchschnittlich nicht einmal halb so viel Geld zur Verfügung wie im einkommensstärksten Bundesstaat Delaware.

Ausnahmen Dänemark, Niederlande und Finnland

Und die Arbeitslosigkeit ist in Nevada oder Kalifornien drei- bis viermal so hoch wie im ölreichen Norddakota. Die grössten Unterschiede aber gibt es in den Vereinigten Staaten bei der Mordrate. Während in Louisiana auf 100.000 Einwohner fast elf Morde kommen, sind es in New Hampshire gerade einmal 1,1 und damit ebenso viele wie im Freistaat Thüringen.

In Frankreich sind die regionalen Unterschiede zwar nicht ganz so gross wie in den USA, doch für europäische Verhältnisse durchaus beträchtlich. So variiert das durchschnittliche Haushaltseinkommen zwischen der Spitzenregion Ile-de-France und dem strukturschwachen Nord-Pas-de-Calais noch stärker als hierzulande zwischen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.

Die Erwerbslosenquote ist in der Küstenregion Languedoc doppelt so hoch wie in den strukturstärkeren Regionen. Doch vor allem in Bezug auf die Sicherheit ist Frankreich ein gespaltenes Land. So liegt die Mordrate in der Normandie mit 0,8 fast ebenso niedrig wie in den sichersten Gegenden Deutschlands. Doch auf Korsika erreicht die Quote mit 7,3 einen europäischen Spitzenwert.

Auch in Italien gibt es ein regionales Wohlstandsgefälle, das allerdings geringer ist als in Frankreich. Dem Ziel einheitlicher Lebensverhältnisse kommen dagegen die Dänen, Niederländer oder Finnen sehr nah. In allen diesen Ländern variiert weder die Arbeitslosenrate noch die Mordrate stark und auch die regionalen Einkommensunterschiede sind relativ gering.

Gleichheit noch am ehesten bei der Bildung

Innerhalb Deutschland schneidet allerdings nicht immer der Süden besser ab als der Norden oder der Osten. So hat in allen neuen Bundesländer die Erwerbsbevölkerung zu mehr als 90 Prozent mindestens einen mittleren Bildungsabschluss.

In Sachsen sind es gar 95 Prozent, womit der Freistaat auch OECD-weit einen Spitzenplatz belegt. In Süddeutschland können dagegen nur rund 85 Prozent der Arbeitnehmer einen mittleren Schulabschluss vorweisen. In Bremen ist dafür die Versorgung mit Breitbandanschlüssen besser als in allen anderen deutschen Regionen.

Mehr als 85 Prozent der Bremer Haushalte verfügen über einen solchen Zugang zum Internet – das ist auch international ein extrem guter Wert. Baden-Württemberg kommt auf einen Versorgungsgrad von 79 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern liegt mit 71 Prozent abgeschlagen zurück. Allerdings gibt es im technikbegeisterten USA mehrere Bundesländer, in denen die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zum schnellen Internet hat.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.