Die Staats- und Regierungschefs aus Europa räumten dem Vereinigten Königreich auf einem Sondergipfel in Brüssel einen weiteren Aufschub des Brexits ein, dieses Mal bis zum 31. Oktober. «Bitte verschwendet die Zeit nicht», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am frühen Donnerstagmorgen. Das Land könne aber früher austreten, wenn der umstrittene Brexit-Vertrag das Parlament passiere.

Premierministerin Theresa May kündigte eine Erklärung im Unterhaus im Laufe des Tages an. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich zufrieden, dass die EU-27 einen ungeregelten Brexit abgewendet hätten.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Es ist die zweite Verschiebung: Ursprünglich sollte Grossbritannien nach mehr als 45 Jahren Mitgliedschaft am 29. März aussteigen. Der Termin wurde auf einem Gipfel vor drei Woche auf Freitag verlegt. Die Briten hatten im Sommer 2016 mit 52 Prozent für den Austritt gestimmt. Das knappe Ergebnis spaltete das Land in Brexit-Verfechter und EU-Freunde, die sich bis heute feindlich gegenüber stehen.

Ein längerer Aufschub wurde vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron gestoppt. Dieser hatte in der stundenlangen Debatte mit den Spitzen der anderen EU-Länder seinen Widerstand mit den Gefahren für die EU-Institutionen und die Europa-Wahl durch eine weitreichende Nachspielzeit für die Briten begründet. Andere Politiker hatten sich für eine Verzögerung von neun Monaten bis zu einem Jahr eingesetzt.

Streit um Teilnahme an EU-Abstimmung

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zufolge wird Grossbritannien nun wahrscheinlich an den Wahlen für das europäische Parlament vom 23. bis 26. Mai teilnehmen. Der Schritt könnte für manche merkwürdig sein, sagte er. Allerdings: «Die Regeln sind die Regeln.»

May erklärte dagegen, wenn die Brexit-Vereinbarung vor dem 22. Mai ratifiziert werde, müsse das Königreich nicht mehr an der Abstimmung teilnehmen. Grossbritannien müsse die EU so schnell wie möglich mit einem Abkommen verlassen, sagte sie. Sie wolle nicht so tun, als ob die kommenden Wochen einfach werden würden.

 Tusk erklärte, die Verlängerung sei so flexibel wie er erwartet habe, wenn auch ein wenig kürzer. Die Zeit sollte aber ausreichen, um die beste Lösung zu erreichen. Im Juni solle es eine Überprüfung der Fortschritte im Ratifizierungsprozess geben. Der 31. Oktober ist mit Bedacht gewählt, da Amtszeiten von Tusk und der derzeitigen Juncker-Kommission enden.

Merkel zieht positives Fazit

Merkel zog ein positives Fazit des Gipfels. May habe eine konstruktive Rolle Grossbritanniens auch nach der Europawahl zugesagt. Der entscheidende Punkt in den Beratungen sei gewesen, wann das britische Parlament seine Zustimmung zu dem Austritt geben werde.

Hintergrund der Hängepartie ist das von May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen, das eine reibungslose Trennung für Wirtschaft und Bürger ermöglichen soll. Allerdings liess das britische Parlament das Abkommen im Januar und März insgesamt dreimal scheitern. Stein des Anstosses war für Teile von Mays konservativer Tory-Partei eine Notfalllösung für die irische Grenze.

Daher lotet May nun erstmals mit der oppositionellen Labour-Partei aus, inwieweit ein Kompromiss möglich wäre. Dafür benötigt sie mehr zeitlichen Spielraum. Der Prozess sei für die grössten Parteien des Königreichs ein «historischer Schritt» und Neuland, sagte ein EU-Diplomat. Es werde aber nicht sehr schnell gehen. «Wenn die mehr Zeit brauchen, dann sollen sie sie haben.»

(reuters/ise/bsh)