Bundesrat Guy Parmelin lädt zum runden Tisch: So unterschiedlich wollen Mieterinnen- und Mieterverband und Immobilienwirtschaft die Wohnungsnot verhindern

Wohnen ist zum Politikum geworden, und das ruft den Bundesrat auf den Plan. Wirtschaftsminister Guy Parmelin höchstpersönlich ruft Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik und der Bau- und Immobilienwirtschaft zum Krisengipfel von heute Freitag. Das Thema ist politisch brisant: Es gilt, eine Wohnungsnot abzuwenden. In den nächsten Jahren müssten nach vorsichtiger Schätzung des Bundesamts für Wohnungswesen jedes Jahr 5000 bis 10’000 neue Adressen entstehen, um mit der wachsenden Nachfrage Schritt zu halten, aber so viel wird längst nicht gebaut. Wohnraum wird nicht nur rarer, sondern auch teurer, weil die Mieten kräftig steigen: Bei den vermieteten Wohnungen dürfen die Eigentümer wegen der steigenden Zinsen bald deutlich mehr verlangen, und freie Objekte verteuern sich ohnehin, hier spielt der Markt. Ein Potpourri an möglichen Lösungen Das Problem ist also erkannt, die Lösungen sind aber noch nicht gefunden: Ein gutes Dutzend Akteure dürfen am Treffen zugegen sein, und im Gepäck haben sie sehr unterschiedliche Forderungskataloge, wie das Problem zu lösen sei. Das zeigt einen Blick auf zwei Positionspapiere, die aus je sehr unterschiedlichen politischen Ecken kommen: vom Mieterinnen- und Mieterverband (MV) und vom Verband der Immobilienwirtschaft (Svit). Etwas verkürzt dargestellt: Die Mieterlobby sieht vor allem die Wirtschaft in der Pflicht; die wiederum hält die Mietenden für gefordert. Konkret: Der Mieterinnen- und Mieterverband will insbesondere eine staatliche Überprüfung der Renditen der Immobilieninvestoren sowie eine regelmässige amtliche Kontrolle der Höhe der Mieten. Mieten müssten «kostenbasiert», Renditen «angemessen» sein. Der Verband verweist hier auf eine – umstrittene – Studie, wonach die Mieten freier Wohnungen vor dem Ende der Negativzinsen gestiegen sind, obwohl die Zinsen damals für eine Senkung gesprochen hätten. Der Verband wehrt sich auch gegen die vom Nationalrat angedachte Lockerung des Mietrechts. Mieterinnenverband kritisiert die Zuwanderung Explosiv sind zwei seiner anderen Positionen: So schlägt der MV vor, den Wohnraum zu beschränken, den Mieterinnen und Mieter zugute haben. «In den meisten Reglementen von Genossenschaften und/oder Wohnungen der öffentlichen Hand ist dies bereits der Fall», heisst es im unveröffentlichten Papier. Auch kann sich der Verband vorstellen, die Zuwanderung zu beschränken, solange erschwinglicher Wohnraum nicht für alle erhältlich ist. Weiter verlangt der MV, dass bei Neubauten zwingend zur Hälfte gemeinnützige, zur Kostenmiete vergebene Wohnungen entstehen müssen. Auch fordert der Verband ein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand bei privaten Grundstücken. Die Lockerung des Lex Kollers, wonach ausländische Investorinnen und Investoren in Schweizer Immobilienfonds anlegen dürfen, will die Mieterlobby rückgängig machen. Plattformen wie Airbnb will sie streng regulieren. Wirtschaft und Mieterinnen widersprechen sich Völlig gegensätzlich zu den Ideen des Mieterinnen- und Mieterverbands wirkt der Forderungskatalog des Verbands der Immobilienwirtschaft (Svit), zu dem unter anderen die Maklerinnen und Makler gehören. Der erste von den zwanzig Punkten richtet sich ausdrücklich gegen die vom MV geforderten staatlichen Miet- und Renditekontrollen. Viel zu aufwändig sei die Idee. «Solche Eingriffe dienen lediglich dazu, Preissignale auszuschalten und einen administrierten Wohnungsmarkt zu etablieren.» Die Kritik an angeblich überhöhten Renditen weist der Svit zurück. «Das Recht zur Erwirtschaftung einer angemessenen Rendite ist anzuerkennen.» Kritik an den Genossenschaften Auch stellt sich der Svit gegen die Forderung des MV, den gemeinnützigen Wohnungsbau zu stärken. «Die einseitige Fokussierung auf den gemeinnützigen Wohnungsbau ist nicht zielführend.» Zwischen den Zeilen schimmert hier viel Kritik an den Genossenschaften durch. «Gewisse Mietergruppen profitieren durch fiskalisch finanzierte Transferzahlungen, während andere von diesen finanziellen Vorteilen ausgeschlossen werden.» Der Svit möchte mehr Mieterinnen und Mieter zu Wohneigentümern machen – die Politik solle Wohneigentum fördern durch «finanzielle Entlastungen und die Prüfung alternativer Eigentumsformen». Auch will der Branchenverband Einsprachen gegen Bauvorhaben erschweren, mehr Aufstockungen von Gebäuden zulassen und die Raumplanung grundsätzlich weniger streng gestalten. Weiter möchte er die Bewilligungsverfahren vereinfachen und beschleunigen. Sämtliche Vorschriften sollen durchleuchtet werden, um die jeweiligen Kosten und Nutzen abzuwägen. Die Stossrichtung ist klar: Deregulierung. Etwas Konsens lässt sich erkennen So gegensätzlich die Positionspapiere auch sind: Etwas Konsens lässt sich dennoch entdecken. So wollen sowohl der Mieterinnen- und Mieterverband wie auch der Svit die Verfahren für den Bau beschleunigen. Der MV schiebt gleichzeitig ein grosses «Aber» nach: «Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass die Dauer dieser Verfahren nicht zentral ist.» Diese kurze Auslegeordnung lässt erahnen: Guy Parmelin muss am runden Tisch wohl die Quadratur des Kreises gelingen.

Bundesrat Guy Parmelin lädt zum runden Tisch: So unterschiedlich wollen Mieterinnen- und Mieterverband und Immobilienwirtschaft die Wohnungsnot verhindern

So verschieden sind die Rezepte gegen die Wohnungsnot