Die frühere UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte wirft der internationalen Gemeinschaft im Syrien-Konflikt Versagen vor. Gräueltaten wie etwa jene der Terrororganisation IS habe sie zuvor noch nie gesehen, nicht in Jugoslawien, nicht in Ruanda, sagte sie dem «Blick».

Der IS foltere und halte die Person am Leben, um weiter zu foltern, sagte das frühere Mitglied der UNO-Untersuchungskommission für Syrien in einem Interview mit der Zeitung vom Mittwoch. Sie habe zuvor noch nie gesehen, dass Kinder gefoltert würden. Die Täter filmten ihr Foltern. «Einem Zwölfjährigen wird in einem dieser Videos am Ende der Kopf abgeschlagen. Die Augen dieses Buben werde ich nie vergessen können.»

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Del Ponte: «Kein politischer Wille»

Sie glaube nicht mehr, dass die Welt in dem Bürgerkrieg wirklich noch nach Gerechtigkeit für die Opfer suche, sagte del Ponte weiter. Als 2011 die UNO-Ermittlungen in dem Konflikt anfingen, seien die Vertreter der syrischen Regierung die Bösen gewesen. Mittlerweile hätten in dem Krieg aber alle Kriegsverbrechen begangen. Die Terroristen, der IS, die Opposition und die Regierung.

Es freue sie zwar sehr, dass heute bewiesen werden könne, dass etwa die syrische Regierung hinter der Gasattacke auf Khan Shaykhun vom 4. April 2017 stecke. Derzeit gebe es aber keinen politischen Willen für eine Strafverfolgung dieser Kriegsverbrecher. Die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates würden schweigen, kritisiert del Ponte.

Intervention nötig

Del Ponte hielt respektive hält eine militärische Intervention für notwendig. Die Amerikaner hätten mit einer solchen Intervention gedroht. «Doch wenn Sie schon drohen, müssen Sie konsequent bleiben.» Sie kritisiert auch die Diplomatie: «Erinnern Sie sich an die Ukraine? Da packten alle Aussenminister ihre Zahnbürsten ein und flogen nach Kiew. Ganz anders ins Syrien: Niemand ging nach Damaskus und versuchte, mit Assad zu sprechen.»

Die frühere UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte trat Anfang August aus der Unabhängigen Internationalen UNO-Untersuchungskommission für Syrien aus. Die Tessinerin kritisierte, dass sie keine Einflussmöglichkeiten habe, wenn der UNO-Sicherheitsrat trotz dutzender Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen nichts unternehme.

(sda/ise)