Die steigenden Krankenkassenprämien sind ein Problem. Und das gleich in dreifacher Hinsicht: Erstens haben die Prämien für die Grundversicherung in den letzten Jahren ein Ausmass angenommen, das für viele Haushalte eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutet. Dies gilt besonders für den Mittelstand, der nicht in den Genuss von staatlichen Subventionen kommt.

Zweitens verdecken ebenjene Subventionen, die fälschlicherweise als Prämienverbilligung bezeichnet werden (die Prämie wird nicht billiger, sie wird nur nicht vollständig vom Nutzniesser bezahlt, sondern via Steuern von der Allgemeinheit), das Kernproblem der ständig steigenden Prämien und damit für rund ein Drittel der Bevölkerung die Dringlichkeit von Reformen.

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Drittens schliesslich verführen die steigenden Prämien uns Konsumenten und Konsumentinnen dazu, immer noch mehr zu konsumieren. Wenn wir schon so viel für unsere Gesundheitsversicherung bezahlen müssen, wollen wir auch etwas davon haben. Ein Teufelskreis – und einer der Haupttreiber der Prämienspirale.

Das Schweizer Gesundheitswesen braucht radikale Reformen

Im staatlich durchregulierten Gesundheitswesen sind Reformen also notwendig. Ergo gäbe es für die Politik viel zu tun. Anstossen müsste das Parlament radikale Massnahmen. Drei Beispiele:

  • Die Schweiz braucht eine nationale Spitalplanung, kantonale Zuständigkeiten und sprachregionale Empfindlichkeiten hin oder her. Hoch spezialisierte medizinische Leistungen müssen zwischen St. Gallen und Genf nicht in jedem Regionalspital angeboten, sondern an maximal zwei Standorten konzentriert werden. Wer sich einer komplizierten Hirn- oder Rückenoperation unterziehen muss, dem ist es in einer solchen Ausnahmesituation zuzumuten, für einige Wochen nicht in unmittelbarer Nähe zum Wohnort zu sein.
  • Die Schweiz braucht einen radikal ausgemisteten Katalog darüber, was die Grundversicherung zahlt und was nicht. Wer pseudomedizinische Leistungen – etwa homöopathische Behandlungen – versichern will, soll dies über eine Zusatzversicherung abdecken.
  • Der Selbstbehalt und die Franchise in der Grundversicherung für Erwachsene sind deutlich zu erhöhen, um den unnötigen Konsum medizinischer Leistungen einzudämmen.

Doch statt sich um solch elementare Dinge zu kümmern, echauffiert sich die Politik derzeit zum wiederholten Male über die vermeintlich überhöhten Löhne vieler Krankenkassen und überlegt ernsthaft, der Branche einen Lohndeckel aufzudrücken. In Zeiten steigender Prämien seien «überrissene Löhne stossend», begründete SP-Gesundheitspolitikerin Flavia Wasserfallen staatlich regulierte Löhne in der Privatwirtschaft gegenüber «CH Media».

Selbst Gesundheitsminister Alain Berset, ein Parteikollege von Wasserfallen, beklagte kürzlich die «Bereicherungsmentalität» der Kassenchefs im Gespräch mit dem Westschweizer Fernsehen RTS.

Anklang allerdings findet die linke Lohndeckeloffensive bedauerlicherweise auch in Teilen des bürgerlichen Lagers. Und so könnte es durchaus dazu kommen, dass künftig der Bundesrat bestimmen muss, wie viel eine Chefin einer Krankenkassen maximal verdienen darf.

Symbolpolitik lenkt von Problemen ab und ist damit schädlich

Ganz abgesehen davon, dass der Prämienanstieg in erster Linie die Folge eines vermehrten Konsums von medizinischen Leistungen ist und es keine Korrelation von Prämien mit Managerlöhnen gibt, ist die Lohndeckelidee schlicht Berner Bullshit. Sie ist nutzlose Symbolpolitik, die von den eigentlichen Problemen ablenkt und damit schädlich ist.

2021 wurden über die Grundversicherung Leistungen im Umfang von 36,3 Milliarden Franken abgewickelt. Selbst wenn die Chefs aller 57 Krankenkassen je 2 Millionen Franken pro Jahr kassieren würden (wovon selbst die absoluten Spitzenverdiener meilenweit entfernt sind), würde sich ihre Lohnsumme auf 114 Millionen Franken addieren. Das entspricht 0,3 Prozent der Leistungen, ist also nahezu irrelevant. Aber spielen wir das linke Lohndeckelspielchen weiter und drücken alle Cheflöhne auf die ursprünglich angepeilten, maximal 250’000 Franken pro Jahr. Die Lohnsumme würde sich auf 14,25 Millionen Franken reduzieren, also auf 0,04 Prozent der Leistungen. Eingespart hätten wir knapp 100 Millionen Franken oder 0,28 Prozent. In der Realität, in der kein einziger Krankenkassenchef mehr als 1 Million Franken verdient, wäre das Sparpotenzial eines Lohndeckels noch marginaler.

Ein Lohndeckel für Krankenkassenmanager ist also blosses Wahlkampfgetöse. Es ist ein Ablenkungsmanöver linker Politikerinnen und Politiker, um ihre eigene Unfähigkeit, tragfähige Reformen im Gesundheitswesen anzuschieben, zu kaschieren.

Marcel Speiser Handelszeitung
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