Markus Diem Meier stellt in seinem Leitartikel eingangs richtigerweise fest, dass die Debatte lange vor der Abstimmung breit geführt wird. In diesem Sinne soll hier eine Lanze für die Verträge zwischen der EU und der Schweiz gebrochen werden.
Die Debatte um die Bilateralen III verläuft oft emotional – auch im fraglichen Beitrag. Dabei scheint mir, dass die Kritiker einem Grundlagenirrtum unterliegen: Sie glauben, dass sich bei einer Ablehnung der Bilateralen III der Status quo konservieren lässt.
Ein Grundlagenirrtum
Dem ist nicht so. Ohne institutionelle Anpassungen ist der bilaterale Weg am Ende. Wohl nicht mit einem Knall wie beim Brexit, aber schleichend. Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Normen wird ausgehöhlt, wie es in der Medtech-Industrie bereits geschehen ist.
Der Autor
Stephan Mumenthaler ist Direktor des Verbandes für Pharma und Chemie Scienceindustries.
Aus der Forschungskooperation Horizon Europe werden wir wieder ausgeschlossen. Neue Verträge können nicht abgeschlossen werden, möglicherweise fallen auch bestehende dahin, wie Schengen für Reisen oder Dublin für das Asylwesen.
Damit stellt sich die Frage nach den Alternativen. Es gibt Varianten mit stärkerer Integration, wie den EWR oder einen Beitritt zur EU. Aber ein Beitritt zum EWR wurde bereits einmal abgelehnt, und eine Mitgliedschaft bei der EU hätte erst recht keine Chance. Es gibt aber auch Varianten mit schwächerer Kooperation. Wir könnten uns z. B. mit dem Freihandelsabkommen von 1972 zufriedengeben.
Die Welt hat sich bewegt
Nur hat sich die Welt in den letzten fünfzig Jahren weiterentwickelt. Ohne direkten Zugang zum Binnenmarkt, ohne gegenseitige Anerkennung von Normen und Konformitätsbewertungen für den Marktzutritt hat die Schweizer Exportindustrie im Zeitalter von globalisierten Wertschöpfungsketten und «just in time» ernsthafte Nachteile.
Beim Fussball käme auch niemand auf die Idee, für das Schweizer Team Schweizer Regeln zu verlangen. Wenn man international mitspielen will, ist es von Vorteil, dieselben Regeln zu haben.
Die heutigen Herausforderungen verlangen Kooperation
Aber es stellen sich noch grundsätzlichere Fragen: Will die Schweiz tatsächlich auf Forschungskooperation verzichten und seine Hochschulen isolieren? Wollen wir riskieren, beim Reisen wieder Pässe zeigen und so an der Grenze lange Warteschlangen in Kauf nehmen zu müssen? Wollen wir, dass jedes Asylbegehren, das in Europa abgelehnt wird, bei uns in der Schweiz neu gestellt werden kann?
Der eine Punkt ist, dass ein ungehinderter Zugang zum europäischen Binnenmarkt mehr Wohlstand bringt. Der andere Punkt ist, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besser in Kooperation als im Alleingang angegangen werden können.
Der bilaterale Weg wurde vor dreissig Jahren auf die Bedürfnisse der Schweiz massgeschneidert. Er ist nach wie vor zweckmässig und zielführend. Aber er muss modernisiert werden, wenn wir ihn weiter beschreiten wollen.

