Die deutsche Bundesregierung hat am heutigen Donnerstag die zweite Stufe des dreistufigen Notfallplans Gas ausrufen, nachdem die Lieferungen aus Russland stark zurückgegangen sind. 

Die erhöhte Alarmstufe löst noch engere Marktbeobachtung aus. Auch sollen weitere Kohlekraftwerke reaktiviert werden, teilte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mit. Von dem mit der Alarmstufe möglichen Preisanpassungsmechanismus soll aber erst einmal abgesehen werden. Die dritte und höchste Stufe des Plans würde der Bundesregierung erlauben, Gas zu rationieren.

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«Die Lage ist ernst, und der Winter wird kommen», erklärte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck . «Auch wenn man es noch nicht so spürt: Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut.»

Im Winter braucht es einen Speicherstand von 90 Prozent

Auch die Bemühungen, die Gasspeicher für den kommenden Winter zu füllen, stehen in Frage. «Sollten die russischen Gaslieferungen über die Nord Stream 1-Leitung weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 40 Prozent verharren, ist ein Speicherstand von 90 Prozent bis Dezember kaum mehr ohne zusätzliche Massnahmen erreichbar», hiess es vom Wirtschaftsministerium.

«Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen», so Habeck. «Das wird sich auf die industrielle Produktion auswirken und für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eine grosse Last werden. Es ist ein externer Schock.»

Noch im Sommer soll ein Gasauktions-Modell an den Start gehen, das industrielle Gasverbraucher Anreize bietet, Gas einzusparen. Generell ist Gas in der Industrie und zum Heizen weniger leicht zu ersetzen als bei Kraftwerken.

Gazprom hat Lieferungen um 60 Prozent gedrosselt

Am Mittwoch hatte Habeck gewarnt, dass sich Europas grösste Volkswirtschaft auf eine weitere Kürzung der russischen Gaslieferungen einstellen müsse. Moskau hatte letzte Woche die Lieferungen über seine Hauptpipeline nach Europa gedrosselt. 

Der europäische Referenzpreis für Gas stieg in Amsterdam um 1,7 Prozent auf 129,30 Euro pro Megawattstunde. Die Kontrakte haben um mehr als 50 Prozent zugelegt, seit die staatliche Gazprom den Durchfluss durch die wichtige Nord Stream-Pipeline um etwa 60 Prozent gedrosselt hat.

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Ende März hatte die Regierung die Frühwarnstufe in Kraft gesetzt, als die Forderungen des Kremls nach Zahlung in Rubel Deutschland dazu veranlassten, sich auf einen möglichen Lieferstopp einzustellen. Bei der höchsten Stufe des Notfallplans wird die Gasversorgung staatlich geregelt.

Volkswagen und Thyssenkrupp warnen vor Engpässen

Nach Ansicht des Chefs von Volkswagen geschieht die Abkehr von Energie aus Russland nicht schnell genug, um den Autokonzern bei einem möglichen Wegfall der Erdgaslieferungen aus Russland vor erheblichen Problemen zu schützen. Um Abhilfe zu schaffen, halte sich der Konzern die Option offen, eigene Kraftwerke mit Kohle statt mit Gas zu betreiben, sagte Herbert Diess in einem Interview anlässlich des Qatar Economic Forum in Doha.

Thyssenkrupp Steel Europe betonte am Dienstag, ein Mindestbezug von Gas sei zur Aufrechterhaltung der Produktion unverzichtbar. «Andernfalls sind Stilllegungen und technische Schäden an unseren Aggregaten nicht auszuschliessen», hiess es gegenüber Reuters. Eine Umstellung von Erdgas auf Öl oder Kohle sei in den Produktionsprozessen nicht möglich.»

(bloomberg/gku)