Im Zuge der steigenden Vermögensungleichheit kommt immer wieder die Frage einer Erbschaftssteuer auf. Dass die Einnahmen daraus gering und der Aufwand zu gross wäre, ist ein häufiger Einwand der Gegner und Gegnerinnen.

Doch das Argument für diese Steuer sind nicht die Einnahmen, die sie generiert, sondern die Verteilungswirkung, die sie erzielen würde. Sie könnte die zum Teil krass ungleichen finanziellen Möglichkeiten in der Gesellschaft ein klein wenig ausgleichen, auch über die Generationen. Denn mit den Einnahmen könnte man allen jungen Menschen zum zwanzigsten Geburtstag eine Art Startkapital auszahlen, ähnlich, wie der Ökonom Thomas Piketty es vorschlägt.

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Isabel Martínez arbeitet an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, ein Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeit liegt auf Verteilungsfragen. Die promovierte Ökonomin gehört dem internationalen Forschungsnetzwerk des Volkswirtschaftlers Thomas Piketty an, das eine Weltungleichheitsdatenbank aufbaut: WID.world.

Die Idee finden Sie verrückt? Fand ich im ersten Moment auch. Aber: So, wie wir in der AHV Einkommen von der Erwerbsbevölkerung zu den Rentnerinnen umverteilen, um eine Grundsicherung im Alter zu gewährleisten, könnte ein Teil der grossen Nachlässe von den Verstorbenen zur jungen Generation umverteilt werden.

Damit meine ich nicht Familien der oberen Mittelklasse, die ein Haus mit Garten weitergeben, sondern Superreiche. Die 2015 an der Urne abgelehnte nationale Erbschaftssteuer hätte knapp 2 Prozent aller Erben betroffen. So, wie die Abgaben an die AHV nicht das Erwerbseinkommen wegbesteuern, bliebe auch hier ein Grossteil des Nachlasses unangetastet. Doch ein Teil könnte an die Jungen in Form eines Startkapitals umverteilt werden.

«Sie sagen, Erbschaften wurden bereits als Einkommen besteuert? Ein schwacher Einwand.»

Sie glauben, junge Erwachsene würden ihr Geld eh nur verbraten, statt es sinnvoll einzusetzen? Das mag vorkommen. Und zwar auch in den besten Familien. Zudem zeigen Studien aus der Entwicklungshilfe, dass Barüberweisungen eine effiziente Hilfe sind, denn auch arme Menschen wissen in der Regel sehr gut, was sie am dringendsten brauchen, um ihre Situation zu verbessern und ihr Potenzial auszuschöpfen.

Sie sagen, Erbschaften wurden bereits als Einkommen besteuert? Ein schwacher Einwand. Erstens unterliegen in der Schweiz Kapitalgewinne nicht der Einkommenssteuer. Im vorherrschenden Tiefzinsumfeld leisten sie aber einen enormen Beitrag zur Vermögensbildung. Zweitens sind Erbschaften die wohl einzigen unbesteuerten Transaktionen. Wer konsumiert, statt zu sparen, bezahlt Mehrwertsteuer. Eine Nachlasssteuer wäre das Pendant dazu, eine Erbschaftssteuer entspräche der Einkommens- oder Lotteriegewinnsteuer.

Teufel im Detail

Natürlich liegt der Teufel im Detail der Umsetzung. Bei den Freigrenzen und der Höhe der Steuer. Möglicherweise wären Anpassungen bei der jährlichen Vermögenssteuer nötig. Die Besteuerung von Firmen muss geregelt werden, aber dafür gibt es Lösungen (Bezahlen der Steuer über mehrere Jahre, erst bei Aufgabe der Geschäftstätigkeit oder in Form von Anteilsscheinen).

Doch einer nüchternen Betrachtung der emotional aufgeladenen Erbschaftssteuer und deren mögliche Verwendung sollten wir uns nicht verwehren – auch wenn die Idee auf den ersten Blick verrückt erscheinen mag.