Nur wenige Wochen, nachdem Boris Johnson seine Ambitionen auf das Amt des britischen Premiers begraben musste, avanciert er zum neuen Aussenminister. «BoJo» war mal wieder für eine Überraschung gut.

Damit hat Theresa May den Posterboy der Brexit-Kampagne mit einem zentralen Posten betraut. Wir sprechen hier von dem Mann, der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton als «sadistische Krankenschwester» bezeichnet hat. In seinen Attacken ist er unparteiisch: Auch gegen Donald Trump ist er bei einem New-York-Besuch bereits verbal ausfällig geworden (siehe Bildergalerie oben).

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Provokant und polemisch

Die Ironie wollte es, dass Johnson kurz nach seiner rhetorischen Attacke auf der Strasse mit Trump verwechselt wurde (es sind die Haare, ganz bestimmt!). «Einer meiner schlimmsten Momente», kommentierte Johnson den Vorfall. Johnson provoziert und polemisiert, dafür ist er bekannt. Diplomatisches Geschick aber, wie es das Amt des Aussenministers in gehörigem Mass erfordert, hat Johnson bisher deutlich vermissen lassen.

Tatsächlich weist Johnson zwar einen kosmopolitischen Hintergrund auf, der ihn auf dem internationalen Parkett empfehlen mag. Er ist gebürtiger Amerikaner, spricht mehrere Sprachen (auch Deutsch) und berichtete jahrelang als EU-Korrespondent für britische Medien aus Brüssel. Doch hat er sich der 52-Jährige schon vor seinem Amtsantritt gegenüber derart vielen Politikern der ersten Riege im Ton vergriffen, dass das Politmagazin «The Atlantic» ihm eine «Entschuldigungstour» zum Einstieg empfahl.

Entschuldigungstour fällig

Eine solche hatte US-Präsident Barack Obama – metaphorisch gesprochen – zu Beginn seiner ersten Amtszeit unternommen. Allerdings sicher nicht, um für persönliche Entgleisungen gerade zu stehen, sondern indem er Fehler der US-amerikanischen Politik in Reden im Mittleren Osten, Europa und Lateinamerika benannt hat. Das stiess bei der Opposition auf Kritik und wurde als Entschuldigungstour bezeichnet.

Bei Johnson ginge es eher darum, seine zwischenmenschlichen Kontakte zu reparieren. Es ist allerdings kaum zu erwarten, dass er eine solche Taktik tatsächlich fährt. Umso mehr dürfte viele Politiker in der Europäischen Union erleichtern, dass die Verhandlungen zum EU-Austritt Grossbritanniens nicht in Johnsons Ressort fallen. Diese Aufgabe übernimmt der eigens eingerichtete Brexit-Minister, David Davis.