Die Ausgaben für die obligatorische Krankenversicherung sind seit 1996 jährlich um rund 4 Prozent gestiegen. Das ist deutlich mehr, als was durch die Alterung und den medizinischen Fortschritt begründet werden kann. Die Prämien haben sich mehr als verdoppelt. Nicht überraschend sind diese gemäss Umfragen eine der grössten Sorgen der Bevölkerung.

Die Wahldiskussionen haben gezeigt, dass für diese Ausgabenentwicklung niemand verantwortlich sein will. Es sind sich alle einig: Verantwortlich für den übermässigen Anstieg der Ausgaben sind die anderen. Wir sind seit Mitte der neunziger Jahre zwangsweise versichert in einem System, das niemand steuert. Das ist einmalig: Es gibt keine andere öffentliche Aufgabe, die mit Zwangsabgaben oder Steuern finanziert wird, bei der nicht klar ist, wer für die Ausgabensteuerung verantwortlich ist.

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Verantwortung und Prioritäten

Genau das will die Volksinitiative der Mitte ändern: Sie gibt dem Bund und den Kantonen die Verantwortung für die Kostenentwicklung. Diese legen Ziele für das Wachstum der Kosten fest. Es gibt so etwas wie ein Budget. Diese Ziele veranlassen die Leistungserbringer, Prioritäten zu setzen. Sie können am besten beurteilen, welche Ausgaben nötig sind und welche nur getätigt werden, weil es Fehlanreize gibt. Sie werden dafür sorgen, dass das Geld wirksam eingesetzt wird. Sie tun es aber nur, wenn es eine Budgetrestriktion gibt.

Der Gastautor

Serge Gaillard ist Ökonom und war von 2012 bis 2021 Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

Was die Mitte für das Gesundheitswesen fordert, ist anderswo seit langem selbstverständlich. Beim Bund und in den meisten Kantonen existieren Schuldenbremsen, welche das Wachstum der öffentlichen Ausgaben begrenzen. Reicht das Geld nicht, müssen Prioritäten festgelegt werden. Allenfalls braucht es politische Entscheide, um die Steuern zu erhöhen. Bei der AHV schreibt das Gesetz vor, dass der Ausgleichsfonds über genügend Mittel verfügen muss, um die Jahresausgaben zu finanzieren. Fällt der Stand des Fonds unter diesen Wert, muss das Parlament aktiv werden, um die Beiträge und Leistungen ins Gleichgewicht zu bringen. Nur im Gesundheitswesen können die Leistungen unbeschränkt und meistens ohne direkte Kostenfolgen für die Nachfragenden angeboten werden. Die Prämienerhöhungen erfolgen anschliessend automatisch.

Die Bevölkerung kann sich durchsetzen

Bei einer Annahme wäre die Volksinitiative rasch umgesetzt. Die Mitte ist mit ihrer Initiative nämlich nicht allein. Eine solche wurde bereits von der Expertenkommission vorgeschlagen, die der Bundesrat 2017 eingesetzt hat. Und der Bundesrat hat die Umsetzung der Volksinitiative bereits vorbereitet: Er hat einen Gegenvorschlag erarbeitet, der ziemlich genau die Volksinitiative umsetzt und ihre Schwächen beseitigt. Er hat seinem Vorschlag einen etwas anderen Namen verpasst: «Zielwachstumsraten für die Kostenentwicklung». Leider konnte sich der Bundesrat im Parlament nicht gegen den Widerstand der Leistungserbringer durchsetzen. Der Vorlage wurden alle Zähne gezogen.

Eine bessere Steuerung der gesamten Ausgaben kann nur noch durch die Bevölkerung durchgesetzt werden. Sie kann der Volksinitiative für die Kostenbremse zustimmen. Damit kann das ursprüngliche Anliegen des Bundesrates durchgesetzt werden, das Kostenwachstum zu dämpfen. Dank Gerhard Pfister und der Mitte.