Am Wochenende wurde in Saudi-Arabien ein absurdes Missverhältnis beendet, als die ersten saudischen Frauen offiziell ans Steuer durften. Schöne Bilder wurden über Twitter verbreitet von den strahlenden Autofahrerinnen, die ihre nagelneue Fahrerlaubnis vor der Kamera schwenkten.


Es ist ein wichtiger, historischer Schritt, dass Frauen in Saudi-Arabien nun selbst ein Auto lenken dürfen. Ein Durchbruch für die Aktivistinnen dort, die Ächtung, Jobverlust und Gefängnis ertragen haben für diese Mobilität. Für die Bewegungsfreiheit ohne Chaffeur, die als Türöffner gilt für eine neue Selbstständigkeit der saudischen Frauen in vielen Lebensbereichen. Die Frage ist aber, wie weit diese Freiheiten reichen. So hat Kronprinz Mohammed bin Salman, der als Reformer gilt, abgesegnet, dass Frauen nicht länger die Zustimmung ihres männlichen Vormundes benötigen, um eine Arbeit anzunehmen oder ein Geschäft zu eröffnen. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch kritisieren allerdings, dass diese Änderungen in der Praxis wenig fruchten und fordern, die männliche Vormundschaft abzuschaffen. Frauen sind in Saudi-Arabien ihr Leben lang einem Vormund unterstellt, der viele Entscheidungen genehmigen muss – Vater, Ehemann oder Sohn entscheiden, wen Frauen heiraten, ob sie ein Studium aufnehmen oder ob sie eine Reise antreten dürfen.

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Wie sehr dem Reformeifer zu trauen ist, wird ohnehin erst die Zeit zeigen. Wie zart die Anfänge noch sind, belegt die Festnahme von 17 Kämpferinnen und Kämpfer für Frauenrechte vor erst knapp einem Monat. Am Wochenende sassen neun von ihnen immer noch in Haft.

Arbeitskraft der Frauen als Ressource entdeckt

Hoffnung gibt, dass der Wandel nicht nur politisch, sondern vor allem wirtschaftlich getrieben ist. Kronprinz Mohammed bin Salman hat in seiner «Vision 2030» die Frauen als Arbeitskraft entdeckt. Er will mit ihrer Hilfe die Abhängigkeit vom Erdöl beenden. Die weibliche Arbeitskraft als Ressource zugänglich zu machen, ist ein kluger Schritt. Bloomberg hat berechnet, dass Frauen die Wirtschaftsleistung in Saudi-Arabien bis 2030 um 90 Milliarden Dollar steigern können. Damit ist ihr Potenzial fast auf Augenhöhe mit dem zweiten visionären Vorhaben bin Salmans – dem grössten Börsengang der Welt durch den Riesenkonzern Aramco.

Der Schub für die Frauenrechte aus wirtschaftlichen Gründen verspricht in der absoluten Monarchi Saudi-Arabiens zuverlässiger und dauerhafter zu sein als eine politische Laune. Und auch für den Kronprinzen mag die weibliche Arbeitskraft ein verlässlicherer Wirtschaftsmotor sein als der Giganten-IPO, bei dem nach wie vor viele Fragen offen sind. Dennoch muss sich erst zeigen, wie tief der Wandel in Saudi-Arabien tatsächlich reicht – darum gilt auch: Die Fahrerlaubnis für Frauen in Saudi-Arabien ist ein wichtiger, aber zugleich ein winziger Schritt.