Wie erwartet hat Gazprom die Liefermenge über die Pipeline Nord Stream 1 halbiert. Das wirkt sich auf den Gaspreis aus. Unklar ist, ob Russland auf anderem Weg mehr Gas schickt.

Parallel zur angekündigten Drosselung der russischen Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 ist der europäische Gaspreis weiter gestiegen. Am Mittwochvormittag kletterte der Preis für eine Megawattstunde niederländischen Erdgases zur Lieferung im August im Vergleich zum Vortag um etwa 10 Prozent auf 224 Euro. Der Preis bezieht sich auf den Terminkontrakt TTF, der in Europa als Richtschnur angesehen wird.

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Von 40 Prozent auf 20 Prozent gedrosselt

Wie angekündigt wird durch Nord Stream 1 weniger Gas geliefert. Der Betreibergesellschaft zufolge wurden seit Mittwoch 9 Uhr gut 14 Millionen Kilowattstunden pro Stunde geliefert. Zwischen 6 und 7 Uhr waren es mehr als 27 Millionen.

Das nach 9 Uhr erreichte Niveau entspricht der für den weiteren Tag auf der Nord-Stream-1-Website angekündigten Liefermenge. Der russische Konzern Gazprom hatte angekündigt, die Auslastung von Nord Stream 1 von 40 Prozent auf 20 Prozent zu drosseln.

Russland macht technische Probleme im Zusammenhang mit Sanktionen verantwortlich, die der Westen nach dem Angriff auf die Ukraine gegen Moskau verhängt hatte. Die deutsche Bundesregierung hält das für vorgeschoben und sieht politische Gründe.

Siemens Energy weist Gazproms Anschuldigung zurück

Siemens Energy hat derweil erneut die russische Darstellung zurückgewiesen, für Verzögerungen bei der Lieferung einer wichtigen Turbine zum Betrieb der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 verantwortlich zu sein. Der Transport der Turbine könne sofort starten, sagte ein Sprecher von Siemens Energy am Mittwoch.

Alle erforderlichen Dokumente für die Ausfuhr lägen vor. Was hingegen fehle, seien erforderliche Zolldokumente für den Import nach Russland. «Diese Informationen können von niemand anderem als Gazprom bereitgestellt werden.»

Der russische Gas-Konzern hatte zuvor erklärt, Siemens Energy habe die Turbine noch immer nicht übergeben und die Verzögerung liege in der Verantwortung von Siemens Energy.

Gas als Teil der russischen Aussenpolitik

Nach Ansicht von Netzagentur-Chef Klaus Müller ist Gas inzwischen Teil der russischen Aussenpolitik und womöglich auch Teil der Kriegsstrategie. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass in den kommenden Wochen durch Nord Stream 1 noch 40 Prozent der möglichen Menge kämen, sagte Müller im Deutschlandfunk.

Zurückhaltend äusserte sich der Behördenpräsident über Berichte, dass Russland mehr Gas über die Ukraine nach Europa liefern könnte. Dies müsse man noch verifizieren. «Da traue ich den ganzen Ankündigungen nicht, bis wir nicht ein paar Stunden in diesen Tag gesehen haben.» Der «Spiegel» hatte berichtet, dass Gazprom für die Pipeline Transgas in Richtung Slowakei mehr Kapazitäten angemeldet habe.

Auch nach Angaben des Pipelinebetreibers Eustream hat Gazprom am Mittwoch deutlich mehr Kapazität für die Transgas-Leitung durch die Slowakei als in den vergangenen Tagen gebucht. Im slowakischen Grenzort Velké Kapušany, dem Startpunkt des slowakischen Abschnitts, wurde die Durchleitung von 68,6 Millionen Kubikmeter Gas angemeldet. Am Vortag waren es 36,8 Millionen Kubikmeter.

Indizien für Lieferungen über die Ukraine in die Slowakei

Die Buchung deutet darauf hin, dass Gazprom die bei Nord Stream 1 ausfallenden Lieferungen über die Route durch die Slowakei ausgleicht. Transgas ist eine Leitung, die von Russland über die Ukraine in die Slowakei und nach Österreich und Deutschland führt.

Die Buchung zusätzlicher Kapazität ist allerdings kein Beweis dafür, dass Gazprom tatsächlich mehr Gas schicken wird. Allerdings gibt es weitere Indizien dafür.

So hatte sich der Betreiber des ukrainischen Pipeline-Abschnitts TSOU am Dienstag beschwert, dass der russische Gasriese dort ohne Vorwarnung den Druck in den Leitungen erhöht habe. Das spricht dafür, dass Gazprom mehr Gas pumpt. Dem widersprechen aber Daten der Messstation Sudscha am Übergang zwischen Russland und der Ukraine. Die dort nominierten Liefermengen von 42,2 Millionen Kubikmeter liegen praktisch auf dem Niveau der vergangenen Tage.

(awp/reuters/gku)