Hunderttausende aufgebrachter Franzosen sind am Donnerstag gegen die von Präsident Emmanuel Macron durchgesetzte Erhöhung des Rentenalters auf die Strassen gegangen. Im Zentrum von Paris kam es bei einer friedlichen Gross-Kundgebung zu Zusammenstössen, nachdem Einsatzkräfte von kleinen «Schwarzer Block»-Gruppen mit Wurfgeschossen angegriffen und Müllcontainer in Brand gesetzt wurden.

Auch am Abend hielten die Auseinandersetzungen in Paris und anderen Städten an. Gewerkschaften riefen zu regionalen Protesten am Wochenende auf und wollen am 28. März wieder im ganzen Land mit Streiks und Kundgebungen gegen das Reformprojekt angehen.

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In Paris setzte die Polizei Tränengas und Blendgranaten ein, eine Filiale der Schnellimbiss-Kette McDonald's wurde geplündert. Schaufensterscheiben wurden eingeworfen, Bänke demoliert. Innenminister Gerald Darmanin teilte mit, 123 Polizisten seien bei Zusammenstössen im ganzen Land verletzt und 80 Demonstranten festgenommen worden. Das Innenministerium gab die Zahl der Kundgebungsteilnehmer mit 1,089 Millionen an, Die linke Gewerkschaft CGT sprach von 3,5 Millionen Protestierern.

Tumulte gab es in mehreren anderen Städten. In Nantes und Bordeaux im Westen des Landes feuerte die Polizei Tränengas-Granaten auf die Demonstranten. In Rennes setzte sie Wasserwerfer ein. In Lorient wurde laut der Zeitung «Ouest-France» durch Wurfgeschosse der Hof einer Polizeiwache in Brand gesetzt.

Am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle brach ein wilder Streik aus, Protestierer blockierten die Zufahrt zu einem Terminal. Streikende blockierten die Gleise des Pariser Bahnhofs Gare de Lyon, wie auf Aufnahmen des Senders BFM zu sehen war. Demonstranten hielten Protestbanner mit «Nein zur Rentenreform» hoch. Auch viele Lehrer beteiligten sich an den Ausständen ebenso wie Raffinerie-Arbeiter.

Gewerkschaften riefen zur Ruhe auf

Viele Leute seien wütend, sagte der CGT-Vorsitzende Philippe Martinez. Die Situation sei explosiv. Er und andere Gewerkschaftsführer riefen zur Ruhe auf, zeigten sich aber verärgert über Macrons «provokative» Kommentare. Laurent Berger, Chef von Frankreichs gemässigter Gewerkschaft CFDT, sagte dem Sender BFM TV, Macrons Äusserungen hätten die Wut verstärkt. Am Mittwoch hatte der Präsident in einem Fernsehinterview sein Vorhaben verteidigt und gesagt, bis Jahresende sollten die Änderungen in Kraft gesetzt werden. Zudem verglich er die Proteste mit dem 6. Januar 2021, dem Tag des Sturms auf das Kapitol in Washington.

«Um kein Salz mehr in die Wunden zu streuen, muss der Präsident die Reform stoppen", sagte CFDT-Chef Berger als Voraussetzung für Gespräche mit der Regierung. Macron selbst vermied am Donnerstag den Kontakt zur Öffentlichkeit und stellte sich bei seiner Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel entgegen den Gepflogenheiten nicht Reportern.

Grösste Herausforderung seit den «Gelbwesten»

Einer der umstrittensten Punkte der Reform ist die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Abgelehnt wird aber auch die Anhebung der Anzahl der Arbeitsjahre, die zum Bezug der vollen Rente berechtigen. Umfragen zufolge lehnt die Mehrheit der Wähler dies ab. «Ich streike, weil ich gegen die Rentenreform protestiere, aber auch gegen das, was in der Regierung passiert», sagte Lucile Bidet, Angestellte bei Air France, auf einer Demonstration in Nantes im Westen Frankreichs. «Sie hören nicht mehr auf das Volk.»

Seit die Pläne bekannt wurden, kam es immer wieder zu Generalstreiks und Demonstrationen, die meist friedlich verliefen. Seit aber Macrons Regierung die Reform in der vergangenen Woche durch einen Verfahrenskniff unter Umgehung einer Abstimmung im Parlament auf den Weg gebracht hatte, hat der Widerstand an Schärfe gewonnen.

In den vergangenen Nächten gab es etwa in Paris und anderen Städten spontane Proteste, bei denen auch Mülltonnen angezündet wurden und es zu Zusammenstössen mit der Polizei kam. Für den Präsidenten stellen die Proteste die grösste Herausforderung seit dem Aufruhr der «Gelbwesten» vor vier Jahren dar. Damals protestierten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen gegen Steuererhöhungen auf Kraftstoffe. 

(reuters/mth)