Die Partei der Postfaschistin Giorgia Meloni, Fratelli d'Italia, hat bei der Parlamentswahl in Italien vorläufigen Ergebnissen zufolge rund 26 Prozent der Stimmen erhalten. Das Rechtsbündnis ihrer Partei mit der Lega des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini und der Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi wird damit in beiden Kammern des Parlaments über deutliche Mehrheiten verfügen.

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An den Finanzmärkten wurde der Wahlausgang mit Spannung verfolgt. «Perspektivisch nehmen die Unsicherheiten um die drittgrösste Volkswirtschaft im Euroraum zu», sagt Jörg Zeuner, Chefökonom Union Investment. 

Italien werde wieder zum politischen Wackelkandidaten. Ab 2023 dürften die Unsicherheitsfaktoren zunehmen, so Zeuner. Denn dann stehen verschiedene Termine an, die zum Lackmustest für die neue italienische Wirtschafts- und Europapolitik werden dürften.

«Insbesondere bei der Haushaltsplanung oder bei der Bewertung des italienischen Budgets durch die EU könnte es zum Streit kommen», sagt Zeuner. Der Kapitalmarktwind für Italien werde damit rauer. Allerdings: «Das bedeutet noch lange keine Rückkehr der Eurokrise. Die Schuldentragfähigkeit Italiens ist nämlich derzeit nicht gefährdet.»

Der Rechtsruck in Italien bringt laut Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets zusätzlich zu all den negativen Nachrichten noch politische Unsicherheit in die Eurozone. Es sei gut möglich, dass Investoren jetzt die Bereitschaft der Europäischen Zentralbank testen werden, gegen steigende Zinsen in Italien vorzugehen.

«Die Renditeentwicklung italienischer Staatsanleihen vor dem Hintergrund der Wahl wird damit zum Gradmesser für die Unsicherheit, die sich am Markt jetzt ausbreitet. Was Anleger am meisten fürchten, ist ein weiterer Absturz der italienischen Staatsanleihen», so Stanzl. Es könnte andererseits zu einem Aufatmen am Markt kommen, wenn die EZB erfolgreich dagegen interveniert.

Fratelli d’Italia ist wenig auf Kooperation und Zusammenarbeit ausgelegt

«Auch wenn sich das Rechtsbündnis offiziell zur EU bekennt, der politische Gegenwind aus Italien wird grösser werden», sagt Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank.

Der ideologische Unterbau der Fratelli d’Italia sei in Wirklichkeit wenig auf Kooperation und Zusammenarbeit ausgelegt. Auch gelte es, die von der EU ausgeschütteten Milliarden-Beträge des Corona-Wiederaufbaufonds richtig zu investieren.

«An den Märkten hat man jedenfalls Zweifel, ob das italienische Rechtsbündnis die Gelder in die richtigen Kanäle lenken wird. Das Rechtsbündnis forciert eine lockere Fiskalpolitik», so Gitzel.

Pro-europäischer Finanzminister in Italien wahrscheinlich

Es sollte zu Steuersenkungen kommen. Geplant sei eine Reform der Einkommensbesteuerung, die auf eine Flat Tax umgestellt werden soll – also ein einheitlicher Steuersatz für alle. Die von Mario Draghi begonnen Strukturreformen sollen derweil nicht weitergeführt werden. Konflikte mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sind laut Gitzel vorgezeichnet – «ohnehin hält das Rechtsbündnis von diesem Regelwerk wenig».

Darum ist die erste wichtige Entscheidung Melonis die Ernennung des Finanzministers, wie Giada Giani Volkswirtin der Citi-Bank betont. Dabei sei eine pro-europäische, fiskalisch vorsichtige Persönlichkeit vorerst wahrscheinlich. «Wir rechnen nicht mit einem sofortigen Vorstoss für eine grössere finanzpolitische Lockerung. Aber wir sehen mittelfristig das Risiko, dass die politische Agenda der Rechten mit den EU-Zielen kollidiert.»

(Reuters/bsc)