Extrem Reiche stärker besteuern, um das Klima zu retten? Genau das will die Erbschaftssteuer-Initiative, über die wir Ende November abstimmen. Was auf den ersten Blick vielleicht wie sympathische, soziale Gerechtigkeit klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als wirtschaftlich schädlich, fiskalisch riskant und letztlich teuer für den Mittelstand.

Die Initiative fordert, dass Erbschaften über 50 Millionen Franken mit 50 Prozent besteuert werden. Betroffen wären rund 2500 Personen. Verkauft wird das als gerechte Umverteilung und als Beitrag zur Klimapolitik. Doch beides greift zu kurz und blendet grundlegende Realitäten aus. Denn die Schweiz hat bereits heute ein ausgesprochen progressives und soziales Steuersystem. Die einkommensstärksten 5 Prozent der Bevölkerung tragen rund zwei Drittel der direkten Bundessteuer. Laut einer Studie von Avenir Suisse bestreiten sie zudem etwa 90 Prozent der Einnahmen aus der Vermögenssteuer. Auch bei der AHV ist die Umverteilung offensichtlich: 88 Prozent der Rentnerinnen und Rentner erhalten mehr Leistungen, als sie eingezahlt haben.

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Mit anderen Worten: In der Schweiz findet längst eine wirksame Umverteilung statt – ohne ideologische Extreme. Gemäss dem Gini-Koeffizienten, einem Mass für Einkommens- und Vermögensungleichheit, steht die Schweiz deutlich besser da als Länder wie Deutschland, Frankreich, Grossbritannien oder die USA. Auch bei der sozialen Mobilität schneidet unser Land gut ab: Laut dem Rank-Rank-Slope, der misst, wie stark das Einkommen vom Elternhaus abhängt, hängen Chancen und Einkommen kaum irgendwo sonst so wenig von der Herkunft ab wie hier.

Die Gastautorin

Jamie Vrijhof-Droese ist Unternehmerin, Verwaltungsrätin, Referentin und Autorin. Sie ist Managing Partner von WHVP, einem Vermögensverwalter mit Fokus auf US-Kundinnen und -Kunden.

Was die Initiative fordert, ist kein sozialpolitischer Feinschliff, sondern ein ideologisch motivierter Systembruch. Die Folge wäre eine Kapitalflucht von Vermögenden. Norwegen hat dies bereits erlebt: Nach der Erhöhung der Vermögenssteuer auf 1,1 Prozent verliessen Hunderte Reiche das Land, viele davon in Richtung Schweiz.
Besonders mobil sind vermögende Ausländer und Ausländerinnen, die in der Schweiz im Rahmen der Pauschalbesteuerung leben. Sie leisten enorme Steuerbeiträge, während sie die Infrastruktur kaum belasten. Das Geld, das sie zahlen, steht der Allgemeinheit zur Verfügung: für Bildung, Infrastruktur, Sicherheit, Sozialwerke – und, ja, auch für Umwelt- und Klimaschutz. Wenn sich die steuerlichen Rahmenbedingungen verschlechtern, ziehen sie weiter in Länder mit verlässlicheren und investitionsfreundlicheren Steuersystemen. Wer glaubt, Wohlstand sei ortsgebunden, irrt.

Der Bund rechnet im Fall einer Annahme der Initiative mit Steuerausfällen von bis zu 3,7 Milliarden Franken. Am Ende zahlt der Mittelstand über höhere Abgaben oder Leistungskürzungen. Gravierend wäre der Schaden für Familienunternehmen. Denn viele grosse Vermögen in der Schweiz sind nicht liquid, sondern in Unternehmen gebunden, in Maschinen, Immobilien oder geistigem Eigentum. Um eine derart hohe Erbschaftssteuer zu finanzieren, müssten viele Familienbetriebe Anteile verkaufen. Oft an ausländische Investoren oder Konzerne. Das würde unsere unternehmerische Unabhängigkeit gefährden, die Innovationskraft schwächen und Arbeitsplätze kosten. Wollen wir ein Steuersystem, das Unternehmertum bestraft, erfolgreiche Familienbetriebe gefährdet und uns gleichzeitig Geld kostet?

Diese Initiative ist weder sozial gerecht noch ökologisch wirksam. Sie ist ein ideologisches Projekt auf dem Rücken unserer wirtschaftlichen Substanz. Wer Verantwortung für den Wohlstand unseres Landes übernimmt, lehnt sie klar ab.