Es ist der Albtraum jedes Topshots: sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Genau das ist dem Generalsekretär der Nato widerfahren. Nach dem Nato-Gipfel im Juni kursierten im Netz diverse Memes über Mark Rutte. Die Internetcommunity lachte sich krumm über den plumpen Bückling, den der oberste Repräsentant des westlichen Militärbündnisses vor US-Präsident Donald Trump gemacht hatte.

Die Gastautorin

Karin Kofler ist freischaffende Publizistin.

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Fachleute wie Militärspezialist Carlo Masala sagten unverblümt, dass sie Ruttes devotes Verhalten zum Fremdschämen fanden: «Was er machte, auch bei der Pressekonferenz mit Trump, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten.» Rutte hatte Trumps banale Metapher der «zwei streitenden Kinder» im Zusammenhang mit dem Iran-Israel-Krieg mit dem Satz «Dann muss Daddy manchmal eine harte Sprache benützen» bekräftigt.

Trump selbst legte Ruttes Duckmäusertum offen, indem er dessen SMS genüsslich veröffentlichte: «Donald, du wirst etwas erreichen, was KEIN amerikanischer Präsident in den letzten Jahrzehnten zustande brachte», flötete Rutte darin.

Kotau vor dem heimlichen Herrn im Haus

Dass sich eine ranghohe Persönlichkeit gegenüber einer anderen so klein macht, ist selten. Auch in diesen Kreisen gibt es eine Hackordnung, doch man bemüht sich stets, den Anschein zu erwecken, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Mark Rutte brach dieses ungeschriebene Gesetz und machte vor dem heimlichen Herrn im Haus den Kotau. Im Umgang mit dem narzisstischen Trump sei dies das einzige probate Stilmittel, monierten Ruttes Verteidiger. Die Ergebnisse des Gipfels – das Commitment der USA zur Nato, Europas Aufrüstung – zeigten, dass er richtig gehandelt habe.

Schleimen, kriechen, kuschen – hat Donald Trump Unterwürfigkeit zur neuen Businessregel gemacht? Nein. Der US-Präsident legt lediglich schonungslos offen, was in Politik und Wirtschaft schon immer ein gängiges Schmiermittel für Erfolg war. Man redet bloss nicht gern darüber. Studien zeigen: Kriecher mischen ganz vorne mit, wenn es um die Karriere geht, sie haben bei Bewertungen und Beförderungen Vorteile. Selbst zum Erlangen von Verwaltungsratsmandaten ist es nützlich, sich bei den Entscheidungsträgerinnen und -trägern einzuschmeicheln.

Kein CEO der Welt gäbe zu, dass er auf Lobhudeleien hereinfällt. Doch die Forschung belegt, dass dies nicht stimmt. «Untersuchungen zeigen, dass Anbiederung funktioniert, selbst wenn sie offenkundig unecht ist», schreibt die «Economic Times». Sie macht drei Schmeichlertaktiken aus. Erstens: wohlwollend über Vorgesetzte oder Schlüsselpersonen reden. Zweitens: permanente Selbstpräsentation, um von Entscheidungsträgerinnen und -trägern bevorzugt zu werden. Und drittens: Meinungskonformität – also die Ansichten von Chefs oder Chefinnen eilfertig teilen.

Lobhudelei steht über der Leistung

Jeder, der schon ein paar Jahre aktiv ist im Berufsleben, kennt die drei Spezies. Wenn solche Personen befördert werden, löst das eine seltsame Mischung aus Frust und Eifersucht aus. Denn wir sind beseelt von der Vorstellung, dass unser Erfolg allein von unserer Leistung abhängt.

Ist Mark Rutte also ein Vorbild für adaptives sozioökonomisches Verhalten? Jeder weiss, dass Trump mit einer Prise Lobhudelei besänftigt werden kann. Das ist auch okay. Doch Ruttes Schleimspur war für einen Mann seines Ranges zu dick. Die Managementliteratur zeigt auch, dass sowohl plumpe Schmeichler als auch ihre Zielpersonen langfristig Schaden nehmen können. Sie werden von anderen als weniger glaubwürdig und kompetent betrachtet. Fazit: Zwischen strategischem Charme und Anbiederung liegt ein schmaler Grat mit Absturzgefahr. Dem Nato-Generalsekretär ist zu empfehlen: Nachrichten an Trump nur noch im selbstlöschenden Modus.