Als vor ein paar Wochen erstmals die Nachricht die Runde machte, dass Norwegen ab dem Jahr 2025 nur noch Neuwagen mit Elektromotor zulassen wolle, war die Skepsis gross. Doch nun könnten entsprechende Pläne tatsächlich Realität werden – die politische Mehrheit für das Projekt scheint zustande zu kommen.

Inger Elisabeth Sagedal, Managerin bei der Norwegian Automobile Federation, sagt dazu: «Lasst uns die Ärmel hochkrempeln und anfangen.» Die Lobbyistin des norwegischen Automobilverbandes meint damit den Bau von Strom-Ladestationen und anderer Infrastruktur für E-Autos auch auf dem Land. Protest der Industrie oder der Gesellschaft gegen diesen radikalen Plan gibt es bislang in Norwegen nicht.

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Es zeichnet sich eine Mehrheit ab

Der Vorschlag, in neun Jahren keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr zu erlauben, kommt von der rechtspopulistischen Fortschrittspartei. Sie ist Teil der konservativ-liberalen Regierung Norwegens. Und nach mehreren Medienberichten gibt es im Parlament in Oslo unter den vier grössten Parteien bereits eine Mehrheit für ein entsprechendes Gesetz.

Es ist also gut möglich, dass schon in den nächsten Wochen ein entsprechender Gesetzentwurf zur Abstimmung gebracht wird. Die Zeitung «Aftenposten» berichtet, dass derzeit bereits Verhandlungen über Modalitäten zwischen den Regierungsparteien liefen. Übergeordnetes Ziel der Regierung sei es, den Autoverkehr in Norwegen komplett auf rneuerbare Energie umzustellen.

Pionierrolle Norwegens

Das wohlhabende skandinavische Land fördert Elektroautos bereits jetzt in einer beispiellosen Art: Während bei Neuwagen mit Verbrennungsmotoren eine Luxussteuer von bis zu 85 Prozent auf den Neupreis fällig wird, sind Autos mit Elektromotoren von der Abgabe ausgenommen. In den Ausstellungsräumen der Autohändler ist damit ein deutscher Mittelklassewagen mit Benzin- oder Dieselmotor ähnlich teuer wie ein Modell von Tesla, Renault oder Nissan mit E-Antrieb.

Aber das ist noch längst nicht alles: Bei der Anschaffung eines Elektroautos entfällt auch die Mehrwertsteuer. Ebenso sind mit Strom betriebene Gefährte von der Kfz-Steuer und der Abgas-Abgabe befreit.

Parkplätze für Elektroautos

Und damit nicht genug: In norwegischen Städten können Fahrer von E-Autos ihre Wagen auf kommunalen Parkplätzen kostenlos abstellen. Und auch das Aufladen der Batterien an den öffentlichen Stationen ist umsonst. Und wer in der westnorwegischen Stadt Bergen auf mehrspurigen Strassen unterwegs ist, darf mit seinem E-Auto die Busspur benutzen – und kann damit in den Abendstunden am Stau vorbeifahren.

All das hat bewirkt, dass im vergangenen Jahr bereits 18 Prozent aller Neuzulassungen Elektroautos waren. Bezogen auf die Einwohnerzahl von 5,2 Millionen, hat das Land damit schon jetzt die grösste Dichte an E-Autos. In den Städten ist das Netz von Ladestationen bereits dicht, auf dem Land muss die Infrastruktur jedoch noch ausgebaut werden.

Statoil wird reiner Exporteur

Sollte das Gesetz tatsächlich kommen, würde es das Ende des Neuwagenhandels mit konventionellen Autos bedeuten. Aber auch Occasionsautos könnten dann nur noch mit hohen Abschlägen verkauft werden. Der Fahrzeugbestand wird auf weniger als drei Millionen Pkw und Lkw geschätzt. Zudem wären auf lange Sicht auch die Tankstellen betroffen, denn der Verkauf von Benzin und Diesel würde sich drastisch verringern. Der grösste Konzern Norwegens, der Ölkonzern Statoil, würde seine Benzin- und Dieselprodukte dann nur noch exportieren können.

Erleichtert wird der radikale Kurs Richtung E-Mobilität natürlich dadurch, dass Norwegen keine eigene Autoindustrie hat. Das Land ist durch die Ölförderung in der Nordsee zu Wohlstand gelangt. Der Staatsfonds des Landes ist mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 800 Milliarden Dollar der grösste der Welt. Zu seinen Beteiligungen zählen auch Aktien der deutschen Autokonzerne VW und BMW.

Holland hat ähnliche Pläne

Auch ausserhalb Norwegensstossen die Pläne auf Beachtung. Zwei weitere Länder wollen es den Skandinaviern gleichtun: die Niederlande und Indien. Während die Niederländer ebenfalls das Jahr 2025 als Ausstiegszeitpunkt aus der Verbrennungstechnik ansteuern, will Indien 2030 einen E-Auto-Anteil von 100 Prozent erreichen.

Der Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla, Elon Musk, jedenfalls ist von dem Vorhaben der Norweger begeistert. Auf Twitter schrieb er: «Was für ein grossartiges Land».

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Dieser Artikel ist zuerst auf unserer Schwester-Publikation «Die Welt» unter dem Titel «Schon 2025 könnten nur noch E-Autos zugelassen werden».