Neues Jahr, bessere Stimmung. «Ein Plädoyer für vorsichtigen Optimismus» nannte Fed-Gouverneur Christopher Waller eine Rede am vergangenen Freitag. Es gebe in Sachen Inflation zwar Gründe, vorsichtig zu sein, grundsätzlich aber «gute Nachrichten». Auch Lael Brainard, die Nummer zwei in der US-Notenbank Fed hinter dem Vorsitzenden Jerome Powell, hatte einen Tag vorher argumentiert, dass es offenbar keine Lohn-Preis-Spirale gebe, die «im Stil der 1970er» die Inflation antreibe. Inflationsbereinigte Lohnerhöhungen für Niedriglohnarbeiter seien durch einen Rückgang der Reallöhne für Besserverdiener ausgeglichen worden. 

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Es ist ein bemerkenswerter Stimmungswechsel im Vergleich zu den vergangenen Monaten, die vor allem von düsteren Botschaften geprägt waren. Im Eiltempo hatten die Notenbanken in den USA und Europa die Zinsen erhöht, um die galoppierende Inflation wieder einzufangen. Und noch Anfang Januar hatte IMF-Chefin Kristalina Georgieva gewarnt: 2023 werde «härter» als das vergangene, weil sich das Wirtschaftswachstum in den USA, der EU und China verlangsame – mit weitreichenden Folgen. Ein Drittel der Länder weltweit werde eine Rezession erleben. 

Jetzt scheint Mahnen plötzlich out, der «vorsichtige Optimismus» dafür in aller Munde. Anekdotische Evidenz an dieser Stelle auch: In Deutschland verliert Gesundheitsminister Karl Lauterbach täglich Fans, weil er unermüdlich weiter vor den Folgen einer Corona-Erkrankung warnt. Dabei hatte ihn der permanent erhobene Zeigefinger überhaupt erst ins Amt gespült. Aber es ist ein neues Jahr, der triste Januar fast vorbei, und da will offenbar niemand mehr bad news.

Die EZB wird die Zinsen wohl weiter erhöhen

Corona, Krieg, Wirtschaft: Leicht vergisst man, dass eine Krise nicht vorbei ist, nur weil sie weniger sichtbar ist. Eine Gefahr nicht gebannt, nur weil sie kleiner scheint. Die Inflation in den USA mag zurückgehen, aber sie lag im Dezember eben immer noch bei 6,5 Prozent, und die Kernrate, also die Inflation ohne die schwankungsstarken Energie-  und Lebensmittelpreise, bei 5,7 Prozent. In der EU erreichte die Jahresteuerung Ende 2022 sogar das Allzeithoch von durchschnittlich 10,4 Prozent. 

Wenn sich die Fed am 31. Januar/1. Februar trifft, wird erwartet, dass sie in Sachen Zinserhöhungen zwar Tempo rausnimmt. Die EZB-Währungshüter allerdings werden wohl weiter mit noch mehreren Zinserhöhungen gegen die Inflation kämpfen. Und auch die Fed-Führung traut dem Frieden noch nicht ganz. Der leichte Rückgang der Kerninflation im vierten Quartal 2022 könnte – wie schon im Sommer 2021 – schliesslich auch eine falsche Dämmerung sein. Optimismus, aber mit Betonung auf «Vorsicht».

Was hilft am Ende, wenn unter der Oberfläche doch wieder alles schlimm scheint und nichts gewiss? Es vielleicht zu halten wie John Kerry, der US-Sonderbeauftragte fürs Klima, in Davos. Auch er war trotz dem wie symbolhaft für die Erderwärmung stehenden Schneemangel auf den Pisten optimistisch. Sagte aber: «Ich habe wirklich mehr Vertrauen in die Richtung, in die wir uns bewegen.» Mehr als der Optimismus, zumindest den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, liegt in diesen Zeiten nicht drin.