Seuche oder Erfolgsmodell Teilzeit? Die Frage treibt Schweizer und Schweizerinnen derzeit um. Teilzeit hat zugenommen – einerseits arbeiten Frauen mehr, anderseits reduzieren Männer ihre Pensen.

Diese Entwicklung ist erfreulich und dringend notwendig – vor allem für Frauen. Hierzulande bedeutet nämlich eine Schwangerschaft nach wie vor für jede siebte Frau den Karriereknick. Dank Teilzeit können Mütter nach der Geburt eines Kindes weiterarbeiten und halten so ihre Karrierechancen intakt. Denn wie sonst sollen sie Topkader werden, wenn ihnen nach einer Geburt gekündigt wird – oder sie selbst kündigen, weil Familie und Beruf unvereinbar erscheinen? Nur Teilzeit bringt die Wirtschaft in Sachen Gleichberechtigung vorwärts. Nur so werden Sachbearbeiterinnen mittel- bis langfristig zu Innendienst-Chefinnen und Assistentinnen der Geschäftsleitung zu CEO.

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Dabei darf aber nicht alles an den Frauen hängen bleiben. Eine Erhöhung der weiblichen Pensen verringert leider nicht die anfallenden Haushalts- und Care-Arbeiten. Hier sind die Väter in der Pflicht. Reduzieren sie ihre Pensen und packen zu Hause an, unterstützen sie so ihre Frauen und deren Karrieren. Und sie gleichen auch den Karrierenachteil aus, der Frauen auch durch Teilzeit entsteht. Ist Teilzeit das neue Normal für beide Geschlechter, bleibt niemand zurück.

Zusätzlich gilt eine einfache Rechnung: Arbeitet der Mann 80 Prozent und die Frau 60 Prozent, dann erreichen sie gemeinsam ein Total von 140 Prozent. Das entspricht 40 Prozent mehr, als wenn nur die männliche Hälfte arbeitet – das ist ein Win fürs Portemonnaie, für die Karriere und auch für die Wirtschaft.

Damit jedoch beide Elternteile Familie und Karriere vereinen können, sind auch die Firmen in der Pflicht. Sie müssen Teilzeitpensen ermöglichen – für Männer und Frauen. Leider herrschen jedoch nach wie vor auf den Chefetagen alte Rollenmodelle und Vorurteile vor. Das ist schade und führt dazu, dass diese Bilder auch in die Zukunft getragen werden.

Dabei kommen Grossfirmen noch besser weg als die KMU. Klassische KMU-Unternehmer halten nach wie vor stärker an 100-Prozent-Stellen fest und bevorzugen männliche Nachfolger. Dabei lassen sie sich durch diese sture Einstellung hochkarätige Frauen entgehen und vergraulen junge Väter, die sich heute mehr Zeit mit der Familie wünschen.

Kommt dazu, dass genügend Studien aufzeigen, dass Mitarbeitende in Teilzeit oft effizienter arbeiten als ihre Vollzeitkollegen. Der Grund: Sie müssen sich noch stärker organisieren. Gleichzeitig kann es sich angesichts des herrschenden Fachkräftemangels keine Firma leisten, Angestellte zu verlieren. Weder Frauen noch Männer. Summa summarum: Teilzeit ist keine Seuche, sondern eine Lösung für viele Probleme der Wirtschaftswelt.

«Es braucht die vereinten Kräfte»

Sylvie Durrer, Direktorin des Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, über Diskriminierung im Alltag und althergebrachte Rollenmodelle.

Tina Fischer
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