Der Bund fährt wieder einmal Defizite ein. Nach fast zehn Jahren mit positiven Rechnungsabschlüssen muss Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf für dieses und die kommenden Jahre mit roten Zahlen kalkulieren.

Diese trüben Aussichten täuschen darüber hinweg, dass der Bund über beträchtliche Besitztümer verfügt, deren Wert kontinuierlich steigt. «Sachanlagen» ist der wenig präzise Sammelbegriff für all die Mobilien, Gebäude, Grundstücke und Strassen in Bundesbesitz. Ihr Wert beläuft sich inzwischen auf über 53 Milliarden Franken. Das sind 530 Millionen mehr als im Vorjahr, wobei dieser Wertzuwachs vor allem auf die noch im Bau befindlichen Nationalstrassen zurückzuführen ist.

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Bundesimmobilien im Wert von 14 Milliarden Franken

Recherchen der «Handelszeitung» ermöglichen nun erstmals eine detaillierte Übersicht über das Inventar in Bundeseigentum. Wobei die Mobilien im Wert von 312 Millionen Franken, also etwa das Mobiliar in- und ausserhalb des Bundeshauses, die Büroeinrichtungen in der weit verzweigten Verwaltung inklusive PC, Drucker, Server und Netzwerke weniger interessieren: Sie sind für einen Verwaltungsbetrieb zwingend notwendige Utensilien.

Hingegen lohnt sich ein Blick auf die zahlreichen Bundesliegenschaften. Die summierten sich im vergangenen Jahr zu einem Wert von fast 14 Milliarden Franken, 88 Millionen mehr als im Vorjahr. Den Löwenanteil machten mit über 9 Milliarden Franken die zivilen Bauten und Grundstücke aus. Die militärischen Objekte folgen mit gegen 5 Milliarden Franken.

Zuständigkeiten sind verstreut

Zuständig für die bundesstaatlichen Besitztümer sind diverse Verwaltungszweige. Die zivilen Bundesliegenschaften sind unterteilt in jene im Verantwortungsbereich des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL), der Eidgenössischen Hochschulen ETH und EPFL sowie der Zollverwaltung.

Wobei Letztere mit Objekten im Wert von bescheidenen knapp 33 Millionen Franken zu Buche steht. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Gebäude in den vier Zollkreisen Aarau, Schaffhausen, Genf und Lugano. Der Neubau der überdeckten Zollanlage in Koblenz für 5 Millionen Franken wurde hingegen vom BBL begleitet.

Der Bauboom hält an

Der Bauboom des Bundes hält an: Anlagen im Wert von 381 Millionen Franken werden derzeit in der Verantwortung des Bundesamtes für Bauten erstellt. Auch das neue, riesige Verwaltungszentrum am Guisanplatz in Bern, wo dereinst rund 4700 Angestellte des Justiz- und Polizeidepartements, des VBS und der Bundesanwaltschaft arbeiten sollen, figuriert in der eidgenössischen Buchhaltung unter «Anlagen im Bau» des BBL.

Der Büro-Koloss wird die Liste der über 1300 Verwaltungsliegenschaften des Bundes ergänzen. Und im kommenden Herbst dürfte das neue Verwaltungsgebäude mit 720 Arbeitsplätzen für das Bundesamt für Gesundheit im Berner Vorort Liebefeld bezugsbereit sein. Kostenpunkt: Gegen 100 Millionen Franken.

422 Objekte im Ausland

Zu den neuen, millionenteuren Bundesliegenschaften im Inland, die dereinst unverdächtig als «Sacheinlagen» in der Staatsrechnung auftauchen werden, kommen 422 Objekte im Ausland hinzu. Darunter ist etwa das im Mai dieses Jahres bezogene, sanierte Gebäude der Schweizer Botschaft an der Prinz-Eugen-Strasse in Wien, der Anbau an das Botschaftsgebäude in Moskau ist hingegen noch nicht fertig.

Die diversen Neubauten werden den aktuellen Buchwert der zivilen BBL-Bundesliegenschaften von heute fast 2,9 Milliarden Franken weiter ansteigen lassen.  Die Basis bilden hingegen feste Werte des hinlänglich bekannten Bundesbestandes: Das Parlamentsgebäude etwa ist bei einem Anschaffungswert von 214,5 Millionen Franken noch mit einem Buchwert von fast 54 Millionen registriert, der «Bernerhof» gleich nebenan, der Amtssitz von Finanzministerin Widmer-Schlumpf, ist mit einem Buchwert von 61,5 Millionen vermerkt und das Landgut Lohn, der Repräsentativbau für Empfänge, ist inklusive Grundstück, Haupt- und Nebengebäude mit noch 9,5 Millionen verbucht.

Dabei betreut das Bundesbauamt nicht nur mehr oder weniger prominente Verwaltungs- und Botschaftsgebäude, sondern auch Wohnungen im Wert von 247 Millionen Franken, Justizgebäude wie das Bundesgericht in Lausanne (211 Millionen) und Liegenschaften für Freizeit, Sport und Erholung (89 Millionen). Den gleichen Wert stellen die bundeseigenen Objekte für «Kultur und Geselligkeit» dar. Dazu kommen Grundstücke wie das Gelände der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope, die mit insgesamt 1,45 Milliarden Franken vermerkt sind.

Die Liegenschaften der Hochschulen

Nicht weniger eindrücklich ist der Liegenschaftsbesitz der Eidgenössischen Hochschulen. Der Gesamtwert dieser Gebäudegruppe liegt bei knapp 3 Milliarden Franken und ist damit sogar noch höher eingeschätzt als die BBL-Bauten. Beispiele: Die für rund 90 Millionen sanierten Chemie-Altbauten der ETH sind heute noch (Stand 31. Dezember 2013) mit einem Buchwert von 67,6 Millionen registriert, das Hauptgebäude mit der Polyterrasse mit 76,2 Millionen Franken. Das Learning Center auf dem Campus Ecublens der EPFL Lausanne ist mit 56,5 Millionen verbucht, das Forum Chriesbach der Eawag in Dübendorf mit knapp 25 Millionen.

Das im Oktober 2001 mit einem Neuwert von 35,8 Millionen Franken eingeweihte Gebäude der Synchroton Lichtquelle in Villigen AG ist jetzt noch mit 23,5 Millionen administriert – die ganze Forschungsanlage ist auf einen Neuwert von 96 Millionen Franken geschätzt. Dazu kommen hochschuleigene Grundstücke im Wert von über 1,1 Milliarden Franken.

Ein Drittel im Besitz der ETH

Die Gesamtzahl der Gebäude und Grundstücke der Eidgenössischen Hochschulen entspricht wertmässig etwa einem Drittel des gesamten Immobilienportfolios des Bundes. Schweizweit nutzt der vom ETH-Rat verwaltete Bereich 400 Gebäude und rund 110 Anlagen auf 175 Parzellen. Der ungestillte Bedarf an technischem Wissen spiegelt sich in den diversen Neubauten.

Zurzeit sind neue ETH-Anlagen für 292 Millionen Franken im Bau. Der für die EPFL notwendige Flächenzuwachs beispielsweise findet zurzeit mehrheitlich in den neuen Aussenstellen statt: In Neuenburg (Mikrotechnik), in Genf (Campus Biotech), in Sitten (EPFL Valais) und in Freiburg (Smart Living Lab).

Immobiliengigant Armasuisse

Auch das Militär gehört zu den helvetischen Immobilien-Königen: Mit knapp 5 Milliarden Franken sind die von der Armasuisse verwalteten Bauten und Anlagen der Armee verbucht. Die bestehenden Gebäude machen zwar mit 2,75 Milliarden Franken weniger aus als die beiden zivilen Bereiche, es befinden sich jedoch Anlagen für 735 Millionen Franken im Bau. Dazu kommen Grundstücke im Wert von 1,4 Milliarden Franken.

Im Detail stechen die Verkehrsanlagen für fast 500 Millionen hervor, die Kasernen für 423 Millionen und – kaum verwunderlich – die «militärischen Objekte mit Schutz gegen Waffenwirkung», die mit 456 Millionen bewertet sind. Wie dicht das Land mit militärischen Bauten, Waffen- und Schiessplätzen überzogen ist, verdeutlichen der nach wie vor gültige Sachplan Militär von Ende Februar 2001 und der Sachplan Waffen- und Schiessplätze vom August 1998. Darin enthalten sind, militärisch ordentlich aufgelistet und detailliert beschrieben, alle 13 Militärflugplätze, sämtliche Übersetzstellen über Flüsse und Seen und alle Waffen- und Schiessplätze.

Armee sitzt auf Nieten und Perlen

Das Problem: Die Anlagen sind nicht einzeln bewertet. Was wegen ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit auch kaum möglich ist: So figurieren auf den Listen durchmischte Objekte wie der Waffenplatz Andermatt mit ziemlich wertlosen Zielgebieten oben an den Bergflanken und einer doch beachtlichen Kasernenanlage im Dorf. Oder der Waffenplatz Herisau-Gossau: Er besteht praktisch nur aus der Kaserne. In Dübendorf ist neben der Kaserne ein Barackenlager, eine Simulationsanlage, ein Zentrum für die Offiziersausbildung, ein Übungsplatz mit Sportanlage und eine Schiessanlage vermerkt, während der Schiessplatz Rothenturm neben dem Schiessplatz Altmatt praktisch nur aus Land und Wald besteht. Daneben figurieren aber auch Perlen wie der Waffenplatz Thun, der sich wegen seiner Lage mitten im städtischen Siedlungsgebiet problemlos veräussern liesse.

In groben Zügen ist der Besitz der Armee bekannt: Das Militärdepartement gibt auf seiner Homepage unter Immobilienmanagement VBS einen Wiederbeschaffungswert von geschätzten 26 Milliarden Franken an und vermerkt selbstbewusst, bei diesem Portfolio handle es sich «um einen der umfangreichsten Immobilienbestände der Schweiz». Die lange Liste der Objekte werde jedoch laufend überprüft und in einen Kernbestand und in einen Dispositionsbestand der nicht mehr benötigten Anlagen eingeteilt. Einen Ausverkauf des militärischen Besitzes schliesst das VBS allerdings aus: «Die Mehrheit der Immobilien im Dispositionsbestand ist weder vermietbar noch verkäuflich und demzufolge nicht marktfähig.»

Rüstungsgüter nicht erfasst

Noch nicht buchhalterisch erfasst ist ein anderes, ziemlich kostspieliges Bundeseigentum: Die Rüstungsgüter. Eigentlich seien auch diese Werte in der Rechnung abzubilden, um einen adäquaten Überblick über das Volksvermögen zu erhalten und einheitliche Bilanzierungsgrundsätze anzuwenden, sagt Markus Stöckli, Leiter Rechnungslegung in der Finanzverwaltung. Doch die Rüstungsgüter seien 2007, als das neue Verrechnungsmodell mit Inventarlisten eingeführt worden sei, aus politischen Gründen nicht übernommen worden. Jetzt sind entsprechende Bestrebungen angelaufen; die Art der Berechnungen dieses Bundeseigentums bietet allerdings noch Schwierigkeiten.

Diesen Prozess schon durchlaufen haben die Nationalstrassen. Im Gegensatz zum Schienennetz wird ihr Wert in der Staatsrechnung ausgewiesen. Zuständig ist das Astra, das Bundesamt für Strassen. Bei der Übernahme des Autobahnnetzes ab 2008 durch den Bund wurden die Strassen bewertet, was Anhaltspunkte für die heutige Summe von total 37,4 Milliarden Franken ergeben sollte.

1 Kilometer Autobahn kostet 50 Millionen Franken

Für die über 1800 Autobahnkilometer, die aktuell in Betrieb sind, liegt ein Wert von 22,7 Milliarden Franken vor. Noch im Bau befinden sich Vorhaben im Umfang von 10,5 Milliarden Franken – 550 Millionen mehr als im Vorjahr. Die gewaltigen Summen ergeben sich durch den hohen Anteil an teuren Tunneln: 226 Tunnel mit einer Gesamtlänge von fast 230 Kilometern sind heute in Betrieb. Dazu kommen über 3000 Brücken und Kunstbauten.

Die aktuell verbuchten Werte stellen nur einen Bruchteil der Baukosten dar: Seit Beginn des Nationalstrassenbaus wurden knapp 90 Milliarden Franken investiert. Heruntergerechnet heisst das: Bislang kostete 1 Kilometer Autobahn inklusive Landerwerb, Lärmschutz und so weiter durchschnittlich 50 Millionen Franken. Heute bewegen sich die Kosten pro Neubaukilometer laut Astra zwischen 80 und 200 Millionen Franken. Und ein Wiederbeschaffungswert lasse sich schlicht nicht beziffern, versichert Rohrbach: «In seiner heutigen Form liesse sich das Netz kaum wiederherstellen.» Und wohl auch nicht mehr finanzieren.