Der EU-Beitritt von Kroatien wird Schweizer Unternehmen den Marktzugang in diesem südeuropäischen Land erleichtern. Namentlich profitieren dürften der Energiesektor und Firmen im Bereich der Bahninfrastruktur. Politisch ist die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit allerdings noch nicht unter Dach und Fach.

Der Bundesrat hatte im März das Verhandlungsmandat für die Ausdehnung des freien Personenverkehrs auf Kroatien gutgeheissen. Er betonte dabei, die Sorgen der Bevölkerung bei der Zuwanderung ernst zu nehmen. Zudem sollen die flankierenden Massnahmen konsequent umgesetzt werden. Kroatien wird am Montag das 28. Mitglied der Europäischen Union. 

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Kein massiver Zustrom erwartet

Ende 2011 lebten 33'000 Kroaten in der Schweiz, wobei das südeuropäische Land etwas mehr als vier Millionen Einwohner hat. Wenig zahlreich und katholisch, werde die kroatische Bevölkerung keine Probleme verursachen, sagte René Schwok, assoziierter Professor am Europainstitut der Universität Genf, gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Er glaubt nicht, dass die SVP ein Referendum gegen die Ausweitung der Personenfreizügigkeit lancieren werde. Aus Sicht von Schwok gewichtet die Partei ihre Zuwanderungsinitiative höher.

Die Furcht vor einer massiven Abwanderung wird in Kroatien gelassen betrachtet. «Obwohl sich viele Kroaten im Ausland aufhalten, ist unsere Bevölkerung nicht sehr mobil», erklärte die Direktorin des Ekonomski Institut in Zagreb jüngst in einem Interview mit der Zeitung «Le Temps». Im Gegenteil: Viele Kroaten, die in der Schweiz leben, kehren in ihre Heimat zurück. Ivica Jakic, Präsident der schweizerisch-kroatischen Geschäftsvereinigung, schätzt, dass rund 60 Prozent seiner Landsleute zurückgingen. Allerdings könnten interessante Projekte in der Bahnindustrie und auf dem Bau Kroaten in die Schweiz führen.

Nach einem Bericht des Schweizer Botschafters in Zagreb könnten sich hiesige Unternehmen künftig an grossen EU-finanzierten Projekten in den Bereichen Energie, Wasser oder Bahninfrastruktur beteiligen. Der Tourismus und die Lebensmittelindustrie dürften auch Schweizer Kapital anziehen, schätzt Jakic. Wie schon bei der EU-Osterweiterung wird die Schweiz auch im Falle von Kroatien einen Kohäsionsbeitrag leisten. Der Bundesrat hatte im März einen Beitrag in der Höhe von 45 Millionen Franken in Aussicht gestellt. Dem Kredit muss nun noch das Parlament zustimmen.

Starkes politisches Signal

Angesichts des geringen Exportvolumens sei der EU-Beitritt von Kroatien keine «wirtschaftliche Angelegenheit» für die Schweiz, betonte Professor Schwok. Stattdessen stelle es ein «starkes Signal» für die Integration von Ländern wie Mazedonien, Montenegro, Serbien oder sogar Bosnien dar. Kroatien ist der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz in der Balkanregion. Die Krise hat den Handel seit 2009 indes einbrechen lassen, wobei die Schweiz nur noch einen Zwölftel vor Ort investiert. 2012 betrugen die Direktinvestitionen 537 Millionen Franken. 

Die Voraussetzungen für die beiden Länder sind grundsätzlich gut. Die Schweiz und Kroatien haben 1997 ein Abkommen zum Ausbau und Schutz von Investitionen unterzeichnet und 1999 ein Doppelbesteuerungsabkommen.

(muv/aho/sda)