Die Initiative «50 Prozent Erbschaftssteuer ab 50 Millionen» lässt viele an der direkten Demokratie zweifeln: «Es darf doch nicht sein, dass eine so schreckliche Initiative den Standort Schweiz gefährdet.» Das sehe ich anders: Die Abstimmung ist prima. Denn dank direkter Demokratie sollen nicht unfehlbare Bürger weise entscheiden, sondern fehlbare Bürger weiser entscheiden. Dabei lehrt dieser Abstimmungskampf viererlei.
Erstens über die Erbschaftssteuer: Sie ist eine besonders schlechte Steuer. Vermögen wird heute in der Schweiz im internationalen Vergleich hoch besteuert – mit der Einkommens- und einer sehr hohen Vermögenssteuer. Sodann haben Erbschaftssteuern verheerende Anreizwirkungen: Vermögende können ihr sehr leicht ausweichen. Dafür müssen sie nur ihren Wohnsitz in eines ihrer Häuser im Ausland verlagern. Erbschaftssteuern sind auch extrem leistungshemmend: Hoher unternehmerischer Einsatz lohnt sich für zukünftige Erblasser weit weniger, wenn ihre Vermögen an den Staat statt an ihre geliebten Erben gehen. Zugleich untergraben Erbschaftssteuern die Leistungsbereitschaft des Staates: Einkommens- und Vermögenssteuern geben ihm Anreize, den Menschen ganzjährig gute Arbeits- und Lebensbedingungen zu bieten – also ein gutes Verhältnis von Staatsleistungen und Steuerhöhe. Bei Erbschaftssteuern nützt ihm das nichts. Es nützt ihm nicht einmal, gute Sterbebedingungen zu bieten, denn sterben dürfen in der Schweiz auch Menschen mit Wohnsitz im Ausland.
Der Gastautor
Folglich funktionieren Steuern auf Erbgängen zwischen engen und sich liebenden Verwandten nicht. Sinn machen sie nur bei weit entfernten Verwandten und Bekannten. Da ist die Steuer dem Erblasser zuweilen egal, und sie verhindert, dass beispielsweise Pflegedienste statt mit hoch besteuerten Löhnen mit Vermächtnissen abgegolten werden.
Zweitens über die Initianten: Eine solche Steuer würde – wenn sie denn funktionieren würde – die Besitzerfamilien wertvoller Unternehmen, Unternehmensanteile und anderer Vermögenswerte enteignen. Die meisten könnten die Steuern nur bezahlen, indem sie ihre Unternehmen grossenteils verkaufen. Kaufen würden sie aber zumeist nicht Schweizer, weil diesen bei der nächsten Weitergabe wieder die Hälfte weggenommen würde, sondern Ausländer oder staatsnahe Betriebe, die sich die Unternehmungen oft zum Schnäppchenpreis aneignen könnten. So würde in der Schweiz der freiheitlichen Wirtschaft und dem Unternehmertum der Boden entzogen. Das würde auch dem Klimaschutz schaden, denn die Dekarbonisierung verlangt eine enorme technologische Transformation, die nur dank erfolgreichem Unternehmertum möglich sein wird. Damit ist die Initiative antikapitalistisch, antischweizerisch und Antiklimaschutz. Dass die SP und die Grünen das mittragen, ist höchst lehrsam.
Drittens über die Schweiz: Die Initiative erlaubt es der Schweiz, sich als Hort der Meinungsfreiheit und Vernunft zu profilieren. Zwar dürfen die Juso für Raubzüge gegen reiche Leistungsträger hetzen, aber die Stimmbürger schützen Leistung und Privatvermögen. Je höher die Initiative abgeschmettert wird, desto mehr wird – bei richtiger Bewerbung – das internationale Vertrauen in den Standort Schweiz gestärkt.
Es muss für Arme leichter werden, reicher zu werden.»
Und viertens über die Zukunft: Nach der Abstimmung werden manche sagen: «50 Prozent Erbschaftssteuersatz waren schlecht, aber 10 Prozent wären gut.» Sie irren. Erbschaftssteuern in der direkten Linie sind und bleiben unabhängig vom Steuersatz Unsinn. Doch die Diskussion hat auch gezeigt, was zu tun wäre: Es stimmt, dass Reiche oft dank Vermögenserträgen noch reicher werden. Und es stimmt, dass es weniger Arme geben sollte. Aber es stimmt nicht, dass die Reichen auf Kosten der Armen reich wurden. Das Problem der Armut sind nicht die Reichen, sondern dass die Armen zu langsam reich werden. Deshalb muss es für Arme leichter werden, reicher zu werden. Das ginge so:
Die Steuern für niedrige Einkommen müssen gesenkt werden; dafür muss der Staat schlanker und effizienter und damit günstiger werden. Sparen muss sich wieder lohnen; dafür darf die Besteuerung von Kapitalerträgen nicht mehr an den durch Inflation aufgeblähten nominellen, sondern muss an den viel kleineren realen Zinserträgen ansetzen. Die Ausbildung muss auf allen Ebenen effizienter werden; dafür braucht es mehr Kostenwahrheit. Die Auszubildenden sollten einen grösseren Anteil der Kosten ihrer nachobligatorischen Ausbildung selbst bezahlen. Dazu sollten die Subventionen der Ausbildungsstätten gekürzt und für alle Jungen ein persönliches Grundkapital gebildet werden, mit dem sie einen Teil ihrer Ausbildung bezahlen können. Und natürlich muss die Zuwanderung klug gelenkt werden, sodass ihr Druck auf die tiefen Löhne gemindert wird.

