Die USA machen die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad für einen tödlichen Giftgasangriff in der Provinz Idlib verantwortlich. Der Vorfall sei verwerflich und könne von der «zivilisierten Welt» nicht ignoriert werden, sagte Regierungssprecher Sean Spicer in Washington.

Der UN-Sicherheitsrat berief für Mittwoch eine Sondersitzung zu dem Angriff ein. Zu den Opferzahlen gab es unterschiedliche Angaben. Einer Beobachtergruppe und Rettungskräften zufolge kamen mindestens 58 Menschen ums Leben, darunter elf Kinder. Die Vereinigung medizinischer Hilfsorganisationen sprach von mindestens 100 Toten. Die syrische Armee wies die Vorwürfe zurück. Sie habe in Chan Scheichun keine chemischen Stoffe eingesetzt und werde dies auch in Zukunft an keinem Ort tun. Der Angriff löste in vielen Staaten Empörung aus.

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Mögliches Kriegsverbrechen

«Wir setzen darauf, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eindeutig Stellung bezieht, sollte sich der Verdacht bewahrheiten», sagte Bundesaussenminister Sigmar Gabriel. Der Einsatz von Chemiewaffen wie auch gezielte Angriffe auf medizinische Einrichtungen seien ein Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht, alle Standards der internationalen Gemeinschaft und insbesondere das Chemiewaffen-Übereinkommen, dem Syrien 2013 beigetreten ist. Falls Assad hinter dem Angriff stecke, sei er für ein Kriegsverbrechen verantwortlich, sagte der britische Aussenminister Boris Johnson. Auch ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung sprach von einem möglichen Kriegsverbrechen. Derzeit würden noch die Fakten zusammengetragen.

Auch der französische Präsident Francois Hollande beschuldigte syrische Regierungstruppen, verantwortlich zu sein und warf Assads Verbündeten vor, ihn zu decken. «Offenkundig gibt es eine Hauptverantwortung des Regimes, denn es hat die Hauptverantwortung für den Schutz seines Volkes», sagte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.

Was die USA wegen des Angriffes unternehmen werden, sagte Regierungssprecher Spicer nicht. Präsident Donald Trump habe aber mit seinem Sicherheitsteam über den Angriff gesprochen. Spicer wiederholte, dass die USA einen Machtwechsel in Syrien nicht mehr als ihre wichtigste Aufgabe in dem Bürgerkriegsland ansehen. Der Kampf gegen den Terrorismus und die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) habe Vorrang.

Hochburg der Rebellen

Idlib gehört zu den Hochburgen der Rebellen im syrischen Bürgerkrieg. Regierungstruppen fliegen dort mit der Unterstützung Russlands Angriffe auf Stellungen der Aufständischen. Russische Kampfjets seien an der Attacke in Idlib aber nicht beteiligt gewesen, berichtete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erörterte mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Angriff, wie aus Kreisen des Präsidialamtes in Ankara verlautete. Erdogan habe betont, solche unmenschlichen Angriffe seien nicht hinnehmbar.

Der Chef der Gesundheitsbehörde von Idlib, Munser Chalil, sagte, bei dem Gas habe es sich vermutlich um Sarin- und Chlorgas gehandelt. Den Beobachtern zufolge bombardierten syrische oder russische Flugzeuge am Morgen die im Nordwesten des Landes gelegene Stadt Chan Scheichun. Auf Reuters-Fotos waren Menschen mit Sauerstoffmasken und in Schutzanzügen zu sehen. Andere Bilder zeigten tote Kinder, während in Decken gehüllte Leichen in Reihen am Boden lagen. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte zitierte Ärzte, die von Symptomen eines Gasangriffs sprachen. Demnach mussten viele Menschen würgen oder fielen in Ohnmacht. Einige hätten Schaum vor dem Mund gehabt.

(reuters/chb)