Die Schweiz leidet unter schlechter Klima-, Verkehrs-, Zuwanderungs- und Rentenpolitik. Dabei wäre gute Politik ganz einfach – mit dem Verursacherprinzip und mit Kostenwahrheit, also mit einem ausnahmslosen CO₂-Preis, der Internalisierung aller externen Umwelt-, Lärm-, Unfall- und Infrastrukturkosten aller Verkehrsträger, angemessenen Aufenthaltsabgaben für Neuzuwanderer sowie steuerlicher Entlastung für Arbeitseinkommen im Rentenalter.
Und entscheidend: Weil Kostenwahrheit die Anreize der Handlungsträger richtig setzt, wären dann die heutige Verhaltenssteuerung durch teure Subventionen für ÖV, E-Autos und Flatterstrom sowie die allgegenwärtige Regulierung überflüssig. Sie müssten aufgehoben werden und die so beim Staat anfallenden Einnahmen und Einsparungen an die Bevölkerung via Steuersenkungen zurückfliessen. Aber weshalb machen Regierung und Parlament all das nicht? Sie haben viele Einwände. Doch die sind hinfällig. Zwei Beispiele:
Gegen eine Teilbesteuerung der Arbeitseinkommen von Alten wird eingewendet, sie verstosse gegen das Gebot der Besteuerung gemäss wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Tatsächlich aber verstösst gerade die heutige Vollbesteuerung der Arbeitseinkommen von Alten gegen dieses Gebot. Denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gesunder Menschen besteht nicht nur aus ihrem Geldeinkommen, sondern auch aus ihrer frei verfügbaren Zeit. Solange also die viele Freizeit der gesunden, nicht arbeitenden Rentner unbesteuert bleibt, sollte auch das Arbeitseinkommen der Rentner, die viel arbeiten, tiefer besteuert werden.
Gegen den Einstieg ins Roadpricing durch eine Staugebühr am Gotthard wird eingewendet, das Tessin müsse frei erreichbar bleiben. Dabei wäre eine Staugebühr ja so festzulegen, dass der Verkehr schrumpft und sich verteilt und so besser fliesst, was die Erreichbarkeit des Tessins erhöhen würde. Staugebühren sind auch kein Nachteil für die Tessiner. Vielmehr leiden diese besonders stark unter den Staus. Entscheidend ist, wie das Abgabenaufkommen verwendet wird. Fragen wir doch die Tessiner mal so: «Wollt ihr eine Staugebühr am Gotthard, deren Aufkommen ganz ins Tessin zur Senkung dortiger Steuern fliesst?» Wetten, dass die Tessiner dann eine Staugebühr genial fänden?
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des Center for Research in Economics, Management and the Arts (CREMA). Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.
Weshalb also gehen Regierung und Parlament die Probleme nicht wirksam an, sondern nur durch Regulierungen, Subventionen und minimale Rückverteilung an die Bevölkerung pro Kopf?
Regierung und Parlament sowie gewisse «Eliten» haben ganz andere Interessen als die Bevölkerung. Kostenwahrheit interessiert sie nicht, wenn die Einnahmen an die Bevölkerung zurückfliessen und Subventionen und Regulierungen abgebaut werden müssen. Regierungen und Parlamente wollen die Einnahmen selbst verteilen und regulieren, und die «Eliten» profitieren von den Subventionen und Regulierungen.
Der Klimawandel und die Energieknappheit infolge des Atomausstiegs und der Unzulänglichkeiten des erneuerbaren Flatterstroms werden intensivst bewirtschaftet. Die Anbieter von Strom aus Wasser, fossilen Brennstoffen, Sonne und Wind haben hart gegen Atomstrom lobbyiert, und die Besitzer alter Atomkraftwerke haben mittlerweile auf die Bewirtschaftung des Stromchaos mittels Stromhandel umgestellt: Je flatterhafter und instabiler das Stromangebot wird, desto grössere Handelsgewinne winken Stromgrosshändlern und -spekulanten.
Aber bringen schlechte Politik und dumme Regulierung den Anbietern nicht höhere Kosten? Ja – aber genau davon können sie profitieren. Solange die Politik auch für ihre Konkurrenten gilt, können sie die Kosten auf die Konsumenten überwälzen und oft sogar «überüberwälzen». Denn meist erhöhen die Regulierungen die Grenzkosten (die Kosten für die letzten produzierten Einheiten) stärker als die Durchschnittskosten. Da diese Grenzkosten preisbildend wirken, können die Produzenten die Preise für die gesamte Produktionsmenge erhöhen und so ihre Gewinne auf Kosten der Konsumenten steigern.
Und was ist mit dem schnellen Bevölkerungswachstum infolge Zuwanderung? Es schadet den «Normalbürgern», weil es nur Breitenwachstum bringt und das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) pro Kopf nicht erhöht, jedoch grosse Füllungskosten durch Verknappung und Verteuerung von Boden, Infrastruktur, Umweltgütern und Selbstversorgungszielen verursacht. Aber es nützt den wenigen «Spezialbürgern» in der Politik und an der Spitze von Wirtschaftsverbänden sowie manchen Firmen, die vom Breitenwachstum profitieren. Ihnen bringt ein insgesamt wachsendes BIP mehr Steuereinnahmen, Mitgliederbeiträge und Umsätze und damit Vitamin 3B: mehr Budget, Bedeutung und Boni.
Was also tun? Da helfen nur noch Volksinitiativen!