Wenn einer sagt, die Schweizer Wettbewerbskommission (Weko) habe juristisch Erfolg wie in einer Diktatur – also immer –, dann hat er ein Problem. Die Weko, die Preisabsprachen und den Missbrauch von Marktmacht verfolgt, wird von zwei Instanzen kontrolliert: dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht.

Wenn dieser jemand noch dazu selber Mitglied ebenjener Weko ist, dann sind seine Loyalität und Analysefähigkeit infrage gestellt. Kein Schweizer Richter könnte sich einen solchen Spruch öffentlich erlauben. Er würde seines Amtes enthoben.

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Der Mann mit dem Diktaturvergleich ist Weko-Mitglied Henrique Schneider, besser bekannt als künftiger Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Es sagt, die Weko wende das Gesetz falsch an und verstehe wenig bis nichts von der Praxis. Auch verharmlost er Absprachen, wenn er sie als «die mildeste Form von Kartellen» bezeichnet. Damit untergräbt Schneider die Autorität der Behörde, in die er vom Bundesrat gewählt wurde.

Die politische Agenda der Interessenvertreter

Der Fall Schneider zeigt exemplarisch den Konstruktionsfehler der Weko. Sie ist gebläht und mit politischen Interessen überfrachtet. Von zwölf Mitgliedern sind per Gesetz fünf Verbandsvertreter: Der Direktor des Bauernverbands, je eine Ex-Zentralsekretärin des Gewerkschaftsbundes und einer Konsumentenschutzorganisation und die beiden Chefökonomen der Wirtschaftsdachverbände, darunter Schneider. Sie haben ein politisches Interesse, wenn sie dort mitrichten.

Dass es Interessenvertreter in der Weko gibt, ist ein historisches Überbleibsel. Als man die Weko 1995 gründete, waren Preis- und Gebietsabsprachen gang und gäbe. Gewisse Kreise verstanden sie als Kavaliersdelikte. Teile der Wirtschaft opponierten deshalb stark gegen eine schlagkräftige Kartellbehörde. Der Kompromiss bestand darin, dass man Interessenvertreter in die Weko schickte mit der Idee: So könne man bei der Beurteilung von Kartellen mitreden. Es hiess, diese Vertreter hätten den Praxisbezug – mehr als Rechts- oder Wirtschaftsprofessoren.

In den letzten 15 Jahren hat die Weko reihenweise Kartelle im Bau, Handel und Telekommunikation aufgedeckt. Diese diktierten Preise und Marktgebiete zum Schaden der Kunden. Kein Wunder, dass sich die Ertappten darüber ärgern. Sie lobbyieren beim Gewerbeverband und finden Schneiders Gehör. Dieser macht den Ärger in unhaltbarer Weise öffentlich und desavouiert damit die Arbeit der Weko, deren Mitglied er ist.

Doch Schneider verkennt, dass die Weko heute eigentlich ein Gericht ist. Bei der Anfechtung ihrer Urteile richten Gerichte darüber, und dann muss die Argumentation juristisch wasserdicht sein. Es geht teilweise um Millionenbussen. Dies macht die Weko heute besser als früher. Und das ärgert die Kartellanten.

Und dann ist da noch ein Urteil, das die Arbeit vereinfacht hat: Stichwort «Elmex»-Fall. Der Bundesgerichtsentscheid von 2016, wo es um diese Zahnpastamarke ging, besagt, dass die Weko nicht mehr in jedem Kartellfall die wirtschaftlich negativen Folgen einer Absprache zu beweisen hat. Im konkreten Fall musste die Weko nicht nachweisen, dass die Preise für Elmex wegen einer Absprache überhöht waren.

Schriftliche Beweise wie eine Email, ein Protokoll oder Zeugenaussagen genügen heute der Weko heute zur Verurteilung. Im Detail ist das zwar etwas komplizierter. Aber damit fallen teure und auch für KMU aufwendige Fragebogenumfragen der Weko zu den Folgen einer betroffenen Branche weg. Das ist richtig und auch rechtlich gestützt.

Doch Schneider und seine Mitstreiter wollen das Rad der Kartellverfolgung zurückdrehen, das «Elmex»-Urteil am liebsten per Gesetz annuliert haben und so gewisse Absprachen wieder toleriert haben. So erklärt sich sein Powerplay gegen die Weko, die er von innen aushorcht.

Guy Parmelins Leute arbeiten an einer Gesetzesrevision. Richtig wäre, die Weko in ein Gericht umzuwandeln und Interessenvertreter auszuschliessen. Weder sind Kartelle ein Kavaliersdelikt, wie man es noch 1995 sah, noch hilft eine politische Agenda, die der Fall Schneider zeigt, die Urteile zu verbessern. Unabhängige Rechts- und Wirtschaftsexperten in der Weko wären die besseren Richter.

BERN, 14.8.2019. Andreas Valda, Redaktor Handelszeigung. Foto: Daniel Rihs / 13 Photo
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