In den letzten Tagen wurden weltweit die höchsten Durchschnittstemperaturen erreicht, die je aufgezeichnet wurden. So heiss wie jetzt war die Erde laut Paläoklimatologen zuletzt vor der letzten Eiszeit: vor 125’000 Jahren. Als 14-Jährige, die an den Fridays-for-Future-Demonstrationen immer zuvorderst mit dabei war, würden bei mir jetzt die Alarmglocken läuten. Ich bleibe ruhig. Persönlich kann ich an der aktuell herrschenden Hitze nichts ändern. Und Freundinnen, die bei diesen Temperaturen in den Flieger Richtung Meer steigen, will ich nichts verübeln.

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Oft habe ich erlebt, wie jemand mit vorwurfsvoller Stimme gefragt wurde: «Du fliegst?!» Darauf folgte eine peinlich berührte Stimme und ein zögerliches Nicken. Man verurteilte Leute, die in den Flieger stiegen. Und wer es trotzdem tat, sollte sich wenigstens dafür schämen. Wir klimabewussten Menschen verurteilen uns manchmal gegenseitig, als ginge es darum, einen Wettbewerb zu gewinnen. Dabei lag der Anteil des Luftverkehrs bei den weltweiten CO2-Emissionen 2019, im letzten Jahr vor Corona, gerade mal bei 3,1 Prozent. Zum Vergleich: Bei der globalen Milch- und Fleischindustrie sind es rund fünf Mal so viel. 


 

Ich weigerte mich, mit meinen Eltern zu fliegen, weil ich mich dafür schämte.

Das ist natürlich kein Freifahrtschein fürs Fliegen. Aber ich sehe es heute differenzierter als damals als Klimajugendliche, als ich versuchte, so CO2-neutral wie nur möglich zu leben. Das bedeutete, dass ich die Ernährung umstellte und nur noch komplett bio, regional und fleischfrei einkaufte. Meine Kleider erstand ich alleine in Brockenstuben und Secondhandläden. Ich weigerte mich, mit meinen Eltern in die Ferien zu fliegen, weil ich mich dafür schämte. Sie flogen alleine. Heute wäre das für mich undenkbar. 

Zwei Gründe dafür gibt es: Zeit und Geld. Zu wenig von beidem zu haben, macht es schier unmöglich, komplett klimafreundlich zu leben. Als Schülerin war es einfach. Da bekam ich Taschengeld und musste für den wöchentlichen Einkauf nichts zahlen. Mit einem Praktikumslohn und einer 100-Prozent-Anstellung in einer teuren Stadt wie Zürich zu wohnen, bedeutet, dass sich das klimaneutrale Leben dann um einiges schwieriger gestaltet. Bio-Lebensmittel im Angebot sind jetzt meine grösste Freude. Und wenn die Zeit zum Kochen fehlt, muss es jetzt manchmal das Plastik-verpackte Sandwich tun.

Was ich machen kann, dass es dem Planeten besser geht, tue ich bereits.

Ich bin nachsichtiger mit mir selbst und mit meinen Mitmenschen geworden. Und merke: Ich will auch nicht mehr so negativ denken wie früher. Es gibt mittlerweile viele Dinge, die mir Hoffnung machen. Zum Beispiel, dass die Schweiz das Netto-Null-Ziel für 2050 beschlossen hat. Oder dass die weltgrössten CO2-Verschmutzer mit dem Besuch des US-Klimabeauftragten John Kerry diese Woche in China einen Neustart ihrer Klimadiplomatie begonnen haben.

Ich selbst schaue von der Schweiz aus zu, wie die Welt nicht überall, aber an manchen Stellen ein bisschen besser wird. Was ich machen kann, dass es dem Planeten besser geht, tue ich bereits: Ich ernähre mich vegetarisch, kaufe wenn möglich saisonal und bio ein, fahre mit dem Fahrrad ins Büro und nehme in die Ferien wenn möglich den Zug. Und ja, ich werde auch wieder fliegen. Und mich dafür nicht schämen.