Deutschlands Kanzler Friedrich Merz ist nicht zu beneiden. Seine Ferien konnte er nicht richtig geniessen. Zu viele Baustellen hat unser nördlicher Nachbar. Trumps Strafzölle oder der Ukrainekrieg halten Merz auf Trab. Innenpolitisch wichtig und deshalb besonders drängend aber ist die darbende Wirtschaft. Die ist im Frühjahr stärker geschrumpft als erwartet. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) sank im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent. Im Inland wird nicht mehr gross investiert, im Aussenhandel klemmts wegen Trump.
Merz muss sich deshalb kritische Fragen gefallen lassen. Zuletzt am Sonntag im grossen Sommerinterview mit Diana Zimmermann (54) im ZDF. Auf der Suche nach griffigen Rezepten nimmt sich Merz ein Beispiel an der Schweiz und an der helvetischen Arbeitsmoral. Man müsse eine höhere volkswirtschaftliche Leistung erbringen, forderte er mit Nachdruck. «Wir haben einen der höchsten Krankenstände in ganz Europa», so Merz. «Wir arbeiten 200 Stunden weniger als die Schweizer», kritisiert er. Das sind vier zusätzliche Stunden pro Woche.
«Wir müssen produktiver werden»
Merz hatte am Sonntag gewarnt, dass Deutschland seit Jahren über seine Verhältnisse lebe. Erneut mahnte er eine deutliche Reform des Bürgergeldes an und verwies darauf, dass es zwar drei Millionen Arbeitslose, zugleich aber Hunderttausende offene Stellen gebe. Er mahnt weiter. «Die Produktivität in Deutschland ist seit zehn Jahren nicht gestiegen.» Für den Bundeskanzler ist klar: «Wir müssen besser werden. Wir müssen effizienter werden, wir müssen produktiver werden.» Und mehr arbeiten.
Dass Schweizer Chrampfer sind, fällt also auch in Berlin auf. Nach Island weisen Schweizer Männer die höchste Lebensarbeitszeit in Europa auf. Sie büezen mehr als 10'000 Stunden länger als männliche Angestellte in Österreich, Frankreich oder Italien. Zu diesem Schluss kommt eine Auswertung von SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Er beruft sich auf Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) und von Eurostat, dem Statistikamt der EU.
Und die sind in der Tat eindrücklich: In seinem Leben arbeitet ein Schweizer Mann exakt 71'912 Stunden. In Deutschland dagegen muss ein Mann nur 62'152 Stunden das Übergwändli anziehen oder den Laptop aufklappen. Kein Wunder bringt dieser Vergleich Merz in Wallung. Noch weniger arbeiten Franzosen (57'226 Stunden) oder Italiener (56'499 Stunden).