Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hat einen Aufschub der Reform zur OECD-Mindeststeuer gefordert. Die Reform sei um mindestens ein Jahr auf 2025 – vielleicht auch länger – zu verschieben, hielt Economiesuisse laut der «Neuen Zürcher Zeitung» fest.

Es würden begründete Zweifel bestehen, dass das Regelwerk jemals global eingeführt werde, hiess es in einem Positionspapier des Dachverbands. Sollte die Schweiz die Mindeststeuer zu früh einführen, gäbe sie ihren Wettbewerbsvorteil von niedrigen Gewinnsteuern auf.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Deutliches Ja vom Stimmvolk zur Reform

Das ist eine Abkehr vom bisherigen schnellen Vorgehen bei der OECD-Mindeststeuer seitens der Politik – unterstützt von der Wirtschaft. Im Schnellzug war eine entsprechende Verfassungsänderung im Juni vors Volk gebracht worden. Die Schweizerinnen und Schweizer hiessen die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für grosse Firmen denn auch mit 78,5 Prozent gut. 

Damit sollen Unternehmen, die einen Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro im Jahr machen und auf ihren Gewinn weniger als 15 Prozent Steuern zahlen, künftig eine Ergänzungssteuer abliefern müssen. Das trifft rund ein Prozent der in der Schweiz tätigen Unternehmen. Die Besteuerung von 15 Prozent wird in der Mehrheit der Kantone nicht erreicht.

Die Idee hinter der OECD-Mindeststeuer ist, dass in allen Ländern eine einheitliche Besteuerung von global tätigen Konzernen eingeführt wird. Sollte nun die Steuerlast von globalen Konzernen am Stammsitz unterhalb der globalen Mindeststeuer von 15 Prozent liegen, hätten die Zielländer das Recht, die Differenz selbst als Steuer zu erheben. 

Die EU-Staaten und weitere Länder wollen die Mindestbesteuerung 2024 einführen. Die Drohkulisse: Folgt die Schweiz nicht gleichzeitig oder noch nicht, fliesst die Differenz zwischen der tieferen Steuerbelastung in der Schweiz und der Mindestbesteuerung von 15 Prozent zu anderen Staaten.

Grosse Staaten und Konkurrenz verzögern

Jetzt aber weist Economiesuisse darauf hin, dass es zu einer globalen Verzögerung der OECD-Mindeststeuer kommen könnte. So hätten grosse Staaten wie die USA, China, Indien, Brasilien oder Saudi-Arabien noch keine Schritte zur Umsetzung eines Plans unternommen, der 2021 von 140 Staaten verabschiedet worden war.

Zudem würden konkurrierende Standorte wie Singapur, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Hongkong die Mindestbesteuerung frühestens 2025 umsetzen – und dies zudem gestaffelt, so die Economiesuisse. In ihrem Positionspapier heisst es weiter, von den 140 beteiligten Staaten würden drei Viertel erst nach 2024 mit ihren Reformen so weit sein.

Pharma-Verband weist auf Ausnahme für USA hin

Auch Scienceindustries, der Verband der Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie, verlangt vom Bundesrat, die Reform aufzuschieben. Sonst droht Schweizer Konzernen höhere Steuern, ohne, dass US-Konzerne ähnlich belastet würden, mahnte Matthias Leuenberger, Präsident von Scienceindustries, dem Verband der Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie.

Denn die USA im OECD-Regelwerk eine Ausnahme für sich durchgedrückt: Sofern ein Konzern aus einem Land stammt, in dem die Firmensteuer auf dem Papier mindestens 20 Prozent beträgt, wird dieser vor ausländischen Zusatzsteuern bis mindestens 2026 verschont. Der Hintergrund: In den USA liegt die Bundessteuer bei 21 Prozent.

Die Steuerlast in den USA betrage aber mitnichten effektiv 21 Prozent der Gewinne, so Leuenberger. Denn bei der Berechnung der zu vesteuernden Gewinne könnten US-Firmen zahlreiche Sonderfaktoren abziehen. Damit sinkt die der effektive Steuersatz deutlich unter die 21 Prozent. In der Schweiz dagegen gäbe es kaum Möglichkeiten für solche Abzüge.

Sollte nun die Schweiz ab kommenden Jahr die Reform umsetzen, so steigt damit die Steuerlast in der Schweiz für globale Konzerne wie Roche und Novartis. Bei US-Konzernen dürften die Zielländer aber weiterhin keine Extra-Steuern erheben. Sprich: «Die US-Tech-Konzerne würden nicht mehr Steuern zahlen, die Schweizer Pharma-Industrie sehr wohl», sagte Scienceindustries-Präsident  Leuenberger.  

Wegen der US-Ausnahme vom Regelwerk drohe eine wahre «Perversion» der ursprünglichen Idee, die Firmensteuer global fairer zu gestalten. «Wer ein gutes Steuersystem hat, wird vielmehr bestraft», so Leuenberger. Ob der Bund auf die Sorgen eingeht, sei derzeit unklar. Es gäbe Gespräche mit dem Bundesrat, so Leuenberger.

(sda/ali/mth)