Die perfekte Melodie bleibt schnell hängen, aber nutzt sich lange nicht ab. Man kann die Melodie allerdings nie abgegrenzt vom musikalischen Kontext betrachten. In der Musik spielen alle Elemente – Rhythmen, Melodie, Harmonik, Arrangement, Instrumente, Stimme und Text – zusammen und geben ein Gesamtbild ab. Die Leute beurteilen dieses Zusammenspiel, nämlich den Song, der ihnen gefällt oder eben nicht.

Der Ohrwurm bezeichnet eine sehr eingängige Melodie, die dem Hörer schnell in Erinnerung bleibt. Da hilft es, wenn diese Melodie nicht zu komplex ist. Alle anderen musikalischen Elemente beeinflussen eher, wie schnell der Song verschleisst. Eine flache, sehr einfache Melodie in ein aufregendes Kleid verpackt kann attraktiv sein und lange gefallen. Eine sehr einfache Melodie in einem simplen Kleid kann zwar ein Ohrwurm werden, aber nach ein paar Mal ist er ausgeleiert. Manchmal schafft es auch die Rhythmik, zum Ohrwurm zu werden wie in «We Will Rock You» von Queen.

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«Eine einfache Melodie in ein aufregendes Kleid verpackt kann sehr attraktiv sein.»

«Reduce to the max» ist mein Weg zum perfekten Song. Die grösste Herausforderung liegt für mich in der Reduktion darauf, was absolut nötig ist. Als Produzent muss ich spüren: Wann wird der Song zu durchschaubar und ab wann wird er zu komplex? Das Ziel einer hochkomplexen Komposition liegt ja nicht mehr darin, dass sie der Zuhörer versteht, sondern in der Ego-Show des Komponisten. So eine öffentliche Masturbation hat mir nie zugesagt. Übrigens gilt das Streben nach Simplizität auch für Lyrics.

Mani Matter konnte mit einfachen Worten alles ausdrücken. Ich verstehe ihn. Und meine drei Kinder verstehen ihn auch. Sie hören die explizit erzählte Geschichte. Ich begreife zudem die Metaphern und die Bedeutung zwischen den Zeilen. Und für alle funktioniert es, weil die Lieder auf mehreren Ebenen genial sind.

Mundartmusik eignet sich am besten auf Bärndütsch für romantische Lieder. Das Gefühl nimmt man einem Berner eher ab als einem Zürcher. Züritüütsch bietet sich für Rap gut an, wie wir Anfang der 1990er Jahre mit meiner Band Subzonic bewiesen haben. Viele Zürcher wurden schweizweit erfolgreich mit Hiphop-basierter Musik. Das schnellere Züritüütsch passt perfekt für Rap-Texte.

Mein Erfolgsrezept ist, möglichst viele Leute anzusprechen und dabei der Message absolut treu zu bleiben. Das unterscheidet Technikerinnen von Künstlern. Ersteren geht es oft um die reine Selbstdarstellung. Sie verschleiern ihr Unvermögen, das Wesentliche zu erkennen, hinter viel Trara.

Der Soundtrack meines Lebens ändert sich parallel zu meiner persönlichen Entwicklung.  «Brothers in Arms» von Dire Straits höre ich regelmässig. «Hotel California» von den Eagles begleitet mich auch schon ewig. Bob Marley kommt immer zum Zug, wenn es sonnig wird. Und wenn es heiss werden soll, hat sich die Sensibilität und Erotik von Sade in Kombination mit Kerzenlicht bewährt.

Tanzen tue ich nur mit Alkohol im Blut. 

The Beatles oder The Rolling Stones? Beatles. Was für eine Frage?!

I Love: Camenzinds Werbespot-Song für Coop-Bioprodukte schaffte sogar den Sprung in die Charts.

I Love: Camenzinds Werbespot-Song für Coop-Bioprodukte schaffte sogar den Sprung in die Charts.

Quelle: ZVG

Werbemusik weist einige spezielle Faktoren auf, die man als Produzent zu berücksichtigen hat. Im Gegensatz zur Popmusik ist von Anfang an ganz klar definiert, welchen Sinn und Zweck sie erfüllen muss. Für mich stellt sich die Frage: Welches Gefühl soll der Film vermitteln und die Musik verstärken? Die exakten Vorgaben beziehungsweise die Einschränkungen gefallen mir sehr an Werbung. Als Musiker kannst du kein One-Hit-Wonder sein und glauben, Werbemusik produzieren zu können. Du musst auf die Vorstellungen von Regisseur, Agentur und Kunde eingehen können. Und du kommst in der Regel erst spät im Ablauf an die Reihe. Meistens reagierst du auf ein bereits vorhandenes Drehbuch, Skizzen, ein Script oder sogar schon den geschnittenen Film. Wenn du als Komponist ein Problem damit hast, unter Zeitdruck super Resultate zu erreichen, wirst du es in der Werbung sehr schwer haben.

Hitproduktionen entstehen nicht, indem ich mich ans Klavier oder an den Computer setze und mal drauflosklimpere. Ich überlege mir ein Ziel und schaffe punktgenau darauf hin. Der Künstler, mit dem ich mich vorab intensiv auseinandersetze, soll mir einen möglichst engen Rahmen vorgeben. Das hilft, die unendlichen Möglichkeiten einzugrenzen, die Kreativität zu kanalisieren und zu fokussieren. Ich erfasse dann die Essenz dessen, was der Künstler oder die Künstlerin verkörpert und sie oder ihn einzigartig macht, und gebe ihr eine musikalische Form. Der Kunde soll nach der Zusammenarbeit mit mir erfolgreicher sein als davor. Das ist mein oberstes Credo und aus diesem Grund gibt es mich seit 25 Jahren in der Szene.

Vorbilder hatte ich als Produzent keine. Ich wurde Produzent, weil ich in der Schweiz keinen fand, der meine Soundideen umsetzen konnte. Also musste ich mir das selber beibringen. Als ich 1997 begann, fand der Wandel von der analogen Studiotechnik in die Digitalisierung statt. Vorher kamen die Bands in ein Studio und nahmen ihre Stücke auf, wobei der Produzent eigentlich ein Techniker war. Durch die Digitalisierung wurde Studiotechnik erschwinglich. Fünf Jahre früher hätte ich mir den Schritt zum Produzenten finanziell gar nicht leisten können. Als Komponist finde ich Hans Zimmer vorbildlich, weil er seit Jahrzehnten für unglaublich gute Kompositionen steht.

Bring en hei: Camenzind ist Co-Autor und Produzent des Baschi-Hits von 2006. Verkauf: Über 60 000 Singles.

Bring en hei: Camenzind ist Co-Autor und Produzent des Baschi-Hits von 2006. Verkauf: Über 60 000 Singles.

Quelle: ZVG

Von Jazz bis Death Metal: Grundsätzlich geht in der Werbung jedes Genre. Möglicherweise eignet sich Death Metal nicht, um Kaffee zu verkaufen, weil Kaffee ein anderes, sanfteres Feeling auslösen soll. Aber warum eigentlich nicht? Ich glaube, beim nächsten Kaffeekunden probiere ich den Sound mal aus.

Ein super Werbesong, der mir spontan in den Sinn kommt, stammt aus der Levi’s-Werbung 1991: «Should I Stay or Should I Go.» Er wurde dafür wiederverwendet und kam so zehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung wieder in die Hitparaden.

Zeitgeist beeinflusst Werbung, die ihn wiederum mitprägt. Vor zwanzig Jahren gab es viel besungene Werbung, beispielsweise «Danke heisst Merci». Der Songtext hat das Produkt erklärt. Dieser Trend wurde später zum No-Go.

Originalität ist manchmal in der Werbung ein Problem, weil die Agenturen gern mit Welthits pitchen. Damit gewinnen sie häufig den Auftrag. Agentur, Regisseur und Kunde haben den Spot x-mal gesehen, bevor er zu uns für die Musik kommt. Sie haben sich also eine Vorstellung eingeprägt, in der das Video mit dem Welthit verknüpft ist. Darum rate ich den Regisseuren und Agenturen davon ab, ihre Ideen mit Hits zu pitchen. Ausser, der Kunde hat genug Geld, um die Rechte zu kaufen, wobei wir schnell von sechs- bis siebenstelligen Beträgen sprechen. Wir haben das ab und an für Coop gemacht, zum Beispiel mit «Thunderstruck» von AC/DC oder «In The Summertime» von Mungo Jerry. Und die UBS hatte für ihre Vorsorgekampagne mal «Paradise City» von Guns n’ Roses verwendet.

Kopien kommen bei Werbemusik dann heraus, wenn der Wunsch lautet: «Mach etwas, was in die Richtung des Hits XY geht.» Aber der Kunde wird so lange nicht zufrieden sein, bis es fast so klingt wie der bekannte Hit. Solche Anfragen lehne ich ab, weil am Ende keiner happy ist. Ausserdem ist es urheberrechtlich sehr gefährlich. Stichwort Algorithmus und KI: Bald werden es Algorithmen schaffen, noch Jahre später herauszufinden, ob ein Plagiat vorliegt oder nicht. Rechteinhaber werden sich das zunutze machen und viel häufiger klagen.

«Ich rate Regisseuren und Agenturen davon ab, ihre Ideen mit Hits zu pitchen.»

Inspiration hingegen finde ich berechtigt und wichtig. John Lennon und Paul McCartney haben sich gegenseitig inspiriert. Wie auch die Beatles und die Rolling Stones. Und beide Bands waren von Chuck Berry inspiriert. Das ist völlig okay und nicht zu verwechseln mit Plagiatoren.

Stille brauche ich nur im Bett.

Die Hitmaschine

Name: Roman Camenzind

Funktion: CEO, Mitinhaber und Produzent von Hitmill

Alter: 46

Familie: verheiratet, drei Kinder

Karriere: Seit er 1997 sein Studio Hitmill gründete, heimste er mit Künstlern wie Adrian Stern, Baschi, Bligg, Lovebugs, Pegasus, Marc Sway, Francine Jordi und zahlreichen anderen über achtzig goldene und Platin-Platten ein. «Ich steh auf Ohrwürmer», sagt der Zürcher, der zusammen mit seinen Geschäftspartnern für Werbehits wie «Slow Down. Take it Easy» (TCS Schweiz) oder «I Love» (Coop) und Kunden von Rivella über Lidl bis SRF und Swisslos verantwortlich zeichnet. Für die «ADC-Handelszeitung» besinnt er sich auf seine Wurzeln und lässt sich auf einen Word-Rap ein.