Vier Jahrzehnte nach Einführung der beruflichen Vorsorge (BVG) ist die zweite Säule als Teil unseres Rentensystems unverzichtbarer denn je: Heute verlassen sich rund 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausschliesslich oder zumindest vorwiegend auf die AHV und die Pensionskasse. Dem Gesetzesauftrag, den Menschen «die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» zu ermöglichen, wird die zweite Säule also gerecht.
Der Autor
Patricio Scotoni leitet den Bereich Berufliche Vorsorge bei der Groupe Mutuel
Aber das System steht unter Druck. Ohne zukunftsweisende Entscheidungen wird die berufliche Vorsorge für kommende Generationen nicht mehr dieselbe Rolle spielen können. Doch mit mutigen Weichenstellungen kann ihre Zukunft sichergestellt werden. Es braucht dafür eine Nachhaltigkeit im doppelten Sinn. Dabei stehen zwei Fragen im Raum.
Wie kann die berufliche Vorsorge inklusiver werden?
Die Arbeitswelt war in den letzten vierzig Jahren durch massive Umwälzungen gekennzeichnet. Diese haben nicht nur flache Hierarchien, Gleitzeiten und Homeoffice hervorgebracht, sondern – für die Vorsorge einschneidender – auch Teilzeitarbeit, Erwerbspausen und Mehrfachjobs von der Ausnahme zur Regel gemacht. Das BVG war und ist demgegenüber auf eine klassische Berufslaufbahn ausgelegt. Als Folge davon weisen schon heute viele Arbeitnehmende Beitragslücken auf, und dieser Trend wird sich fortsetzen und verstärken.
Für viele Einkommensgruppen sind Einkäufe in die zweite oder Ersparnisse in der dritten Säule ein Ding der Unmöglichkeit; das gilt insbesondere für Frauen, Junge und Geringverdienende. Wenn die Beitragslücken in der zweiten Säule aber häufiger auftreten und grösser werden, verschärft sich das Problem der Altersarmut. Um die Errungenschaft der beruflichen Vorsorge nachhaltig zu sichern, müssen folglich die Eintrittsschwellen ins System gesenkt und Anreize geschaffen werden, damit sich alle Aktiven fürs Alter, aber auch für Schicksalsschläge wie Invalidität absichern können.
Wie lassen sich in einem veränderten Umfeld hohe Renditen erwirtschaften?
Im Vergleich zu den 1980er-Jahren ist das Investitionsumfeld zum vierzigsten Geburtstag des BVG ungleich anspruchsvoller. Vor dem Hintergrund von Tiefzinsen, volatilen Märkten und geopolitischen Unsicherheiten wird es für Pensionskassen zunehmend schwierig, hohe Kapitalrenditen zu erwirtschaften. Dabei sind es die Pensionskassen, die mit ihren auf Langfristigkeit ausgerichteten Investitionsstrategien «naturgemäss» für Nachhaltigkeit stehen. Ich darf dabei auf die Strategie der Sammelstiftung Groupe Mutuel verweisen, deren Augenmerk auf der steten Verbesserung der CO2-Bilanz des Portfolios wie auch auf den sozialen und ethischen Implikationen ihrer Investitionen liegt.
Dabei bewegen wir uns in einem Zeitrahmen, der nicht auf Jahre, sondern auf mehrere Jahrzehnte angelegt ist. Das ist nicht neu; wir tun dies schon während der ganzen vier Jahrzehnte des Bestehens des BVG. Unsere überdurchschnittlichen Renditen zeigen, dass Investitionen in nachhaltige Titel auch ökonomisch sinnvoll sind.
Vierzig Jahre BVG sind unbedingt ein Grund zum Feiern, denn wir sprechen von einer echten Schweizer Erfolgsstory. Dennoch ist die Zeit reif für Anpassungen, die uns diese Erfolgsstory weiterschreiben lässt, indem sie mit den Veränderungen in der Gesellschaft Schritt hält.