Die Probleme der Rentensysteme in der westlichen Welt sind überall ähnlich. Erstens: die Alterung der Bevölkerung. Die Menschen werden im Durchschnitt immer älter und beziehen somit länger Rente. In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen über 85 Jahre und für Männer über 81 Jahre. Das ergibt im Durchschnitt über 21 Jahre Rente für Frauen und 16 Jahre für Männer nach etwa 40 Jahren Erwerbsleben – sagen wir im Mittel rund 18 Jahre Rentenbezug. Gleichzeitig ist die Geburtenrate stark gesunken. Die frühere Bevölkerungspyramide mit einer breiten Basis junger Menschen ähnelt heute eher einem Pilz. Dadurch gibt es deutlich weniger Erwerbstätige als früher, welche die Renten finanzieren können. In der Schweiz sind inzwischen über 20 Prozent der Bevölkerung im Rentenalter – und dieser Anteil steigt weiter.

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Der Autor

Jaap van Dam, Experte und Berater für Anlagestrategien, Mitglied des NEST UK Investment Committee und Autor von «Achieving Investment Excellence»

Zweitens: niedrige Zinsen und steigende Inflation. Aufgrund jahrelanger Niedrigzinsen (und vorsichtiger Anlagestrategien) sind die Renditen der Pensionskassen sowohl nominal als auch real – also inflationsbereinigt – begrenzt. Das erschwert es, die zugesagten Renten auszuzahlen, es sei denn, die Beiträge werden deutlich erhöht. Drittens: Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Viel mehr Menschen als früher wechseln den Arbeitgeber oder die Branche. Viele arbeiten selbstständig, in befristeten Stellen oder (befristeten) Teilzeitstellen. Diese Gruppen bauen oft weniger oder gar keine Rentenansprüche auf.

Versprechen ohne Reformen nicht mehr haltbar

Renten- und Vorsorgesysteme sind oft schwer durchschaubar. Es ist nicht sofort ersichtlich, aber Altersvorsorge ist aus den genannten Gründen ein sehr teures «Produkt» geworden. Die Anpassung eines Rentensystems an diese Veränderungen ist äusserst schwierig. Denn in westlichen Ländern wie der Schweiz oder den Niederlanden galt eine gute Altersvorsorge seit dem Zweiten Weltkrieg als selbstverständlich. Es fühlte sich wie ein Versprechen an, das immer gehalten wurde. Es ist schmerzhaft, zu erkennen, dass das heute nicht mehr haltbar ist. In westlichen Demokratien ist es heute generell schwer, Probleme, die den Wählerinnen und Wählern wehtun könnten, konsequent anzugehen – insbesondere, wenn es um langfristige Themen geht.

Da ich Niederländer bin und das niederländische Rentensystem – gemeinsam mit dem dänischen – regelmässig als das beste der Welt bewertet wird, gebe ich im Folgenden einige Beispiele, was wir in den Niederlanden getan haben (oder gerade tun), um unser Rentensystem an die oben genannten Herausforderungen anzupassen.

Länger sparen, kürzer beziehen

Seit 2013 steigt in den Niederlanden das Renteneintrittsalter mit der Lebenserwartung der Bevölkerung. Derzeit liegt das Rentenalter für Männer und Frauen bei 67 Jahren. Für Personen, die nach 1960 geboren wurden, liegt es aktuell bei 67 Jahren und 3 Monaten. Macht das einen grossen Unterschied? Ja: Während man in der Schweiz etwa 40 Jahre spart für 18 Jahre Rente, sind es in den Niederlanden über 42 Jahre für 16 Jahre Rentenbezug. Die automatische Anpassung an die Lebenserwartung verhindert dabei wiederkehrende politische Debatten.

Professionalisierung, Skaleneffekte und Kosteneffizienz

In den Niederlanden sind fast alle Arbeitnehmenden pflichtversichert in einem Branchenpensionsfonds. Es hat eine umfassende Professionalisierung gegeben, stark gefördert durch die Zentralbank. Seit 2005 ist die Zahl der Pensionsfonds von rund 800 auf etwa 170 gesunken. Die grössere Skalierung senkt die Kosten und stärkt gleichzeitig die Verhandlungsposition gegenüber kommerziellen Vermögensverwaltern.

Weniger versprechen – mehr bekommen

Die Niederlande steuern auf ein neues Rentensystem zu. Dieses hat viele Merkmale eines «Defined Contribution»-Systems, in dem keine festen Auszahlungsversprechen mehr gegeben werden, sondern -erwartungen. Dadurch kann mit weniger Einschränkungen investiert werden – und es besteht die Aussicht auf höhere Renten bei gleichen Beiträgen. Im Gegenzug können Renten aber auch sinken, wenn die Anlagerenditen über längere Zeit niedrig bleiben. Es ist noch zu früh, um zu sagen, wie die Niederländer dies in der Praxis aufnehmen werden.