Aufgrund der Negativzinsen waren Obligationen in den vergangenen Jahren weniger beliebt. Aktien, Immobilien oder auch Privatmarktanlagen wurden in den Portfolios aufgrund der potenziell höheren Renditen vorgezogen. Doch seit die Inflationsraten weltweit angezogen haben und die Notenbanken sich gezwungen sahen, die Leitzinsen zu erhöhen, erfreuen sich Obligationen neuer Beliebtheit. Das erste Mal seit Jahren können Anleger wieder eine angemessene Rendite erzielen. Zehnjährige Bundesobligationen rentieren wieder über 1 Prozent. US-Staatsanleihen sogar 3,5 Prozent.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zudem hat sich die Überbewertung der Obligationen nach den zahlreichen Zinserhöhungen der Zentralbanken mehr oder weniger aufgelöst. Angesichts der günstigeren Ausgangslage können deshalb langfristig orientierte Anleger überlegen, den Obligationenanteil ihres Portfolios zu erhöhen.

Der Autor

Mark Vallon, Deputy Head iShares & Wealth Switzerland Blackrock, Zürich.

ETF als Tool für Obligationen

Für Index- beziehungsweise passive Investoren, die ihr Obligationenportfolio diversifizieren möchten, sind Obligationen-ETF eine erneut interessante Wahl. Obligationen-ETF standen lange im Schatten ihrer Aktienpendants, sind aber mittlerweile nicht mehr wegzudenken.

Es handelt sich dabei um börsengehandelte Fonds (ETF), die einen Obligationenindex nachbilden. Obligationen-ETF haben den Vorteil, dass sie mehrere Obligationen zusammenfassen und ähnlich wie Aktien an der Börse gehandelt werden können. Somit können sie jederzeit gekauft und verkauft werden. Da Obligationen-ETF in verschiedene Sektoren, Länder oder Kreditgeber investieren, können Anlegerinnen und Anleger so ihr Portfolio diversifizieren und die Ausfallrisiken einzelner Kreditgebender minimieren. Selbst mit beschränktem Budget kann so via ETF in verschiedene Obligationenklassen investiert werden, und mit vergleichsweise wenig Aufwand kann man sich den jeweiligen Marktbedingungen anpassen. Da sich die Coupons und Laufzeiten von Neuemissionen von den zurückbezahlten Obligationen unterscheiden, ist ein Obligationenindex ein ausgesprochen dynamisches Instrument.

Einzelobligationen bergen höhere Risiken als breit diversifizierte Obli-ETF

Zwar gibt es auch Obligationenfonds, sie sind aber meist vergleichsweise teurer. Auch der Kauf von Einzelobligationen ist nicht günstiger. Bei Neuemissionen von Obligationen kommen Anleger zudem, angesichts der geringen Liquidität, oft nicht zum Zuge. Auch die Preisfindung funktioniert bei Obligationen-ETF besser als bei Einzelobligationen. Meistens werden Obligationen nicht täglich gehandelt. Dies führt zu grossen Preisspannen zwischen Kauf- und Verkaufspreis. Da Obligationen-ETF sehr liquid sind, sind die Spreads deutlich geringer. Einzelobligationen bergen zudem allgemein höhere Risiken als breit diversifizierte Obligationen-ETF (siehe Box).

So verwundert es nicht, dass Obligationen-ETF zurzeit besonders beliebt sind. Weltweit investierten Anleger im März 2023 gemäss der Statistik Blackrock Global ETP Flows 38 Milliarden Dollar in solche Produkte. Das ist mehr als im bisherigen Rekordmonat Oktober 2022. Im globalen Markt von festverzinslichen Wertpapieren mit einem Gesamtvolumen von 124 Billionen Dollar ist dies zwar mit einem Anteil von nur 1 Prozent immer noch bescheiden. In einer aktuellen Blackrock-Studie wird aber ein Wachstum von rund 23 Prozent pro Jahr prognostiziert: Bis Ende 2030 dürften die Obligationen-ETF ein Volumen von 5 Billionen Dollar oder einen Anteil von über 4 Prozent im globalen Markt erreichen.

Ein wesentlicher Grund für den Wachstumsschub sind vor allem auch die neuen Anwendungen für Obligationen-ETF. Innovative, erweiterte Indexingstrategien im Obligationenbereich als Alternative zu rein indexbasierten und semi-aktiven Strategien spielen eine immer wichtigere Rolle. Sie setzen auf Obligationen-ETF, um ihre Portfolios an veränderte Marktbedingungen anzupassen, einzelne Obligationen und Portfolios zu bewerten, Transaktionskosten zu senken, Liquidität zu verwalten und Risiken abzusichern.

Nachhaltige Obligationen-ETF

Die Nachfrage nach nachhaltigen festverzinslichen Fonds hat ebenfalls zugenommen. Tatsächlich war 2022 das erste Jahr, in dem nachhaltige Mittelflüsse die nicht nachhaltigen Mittelflüsse im Bereich der festverzinslichen Obligationen-ETF übertrafen. Während die Mehrheit der Vermögenswerte nach wie vor in nachhaltige Anlagestrategien fliesst, liegt der Schwerpunkt zunehmend auf Klima- und Impact-Strategien, da Anleger ihre Nachhaltigkeitsüberlegungen vertiefen.

Mit ESG-Obligationen-ETF haben Anlegerinnen und Anleger die Möglichkeit, Nachhaltigkeit in ihren bestehenden Portfolios zu integrieren oder neue Portfolios mit speziellen ESG-Zielen aufzubauen. So ist es etwa möglich, von einem Investment-Grade-Obligationenfonds in eine nachhaltige Version umzuschichten. Allein diese Änderung kann sich erheblich auf die ESG-Bewertung des Gesamtportfolios auswirken. So können Anlegerinnen und Anleger, die ein Obligationen-ETF-Portfolio mit einem relativ hohen Anteil an CO2-Intensität halten, mit Umschichtung in eine nachhaltige ETF-Version den ESG-Wert ihres Gesamtportfolios reduzieren, da die nachhaltige Lösung eine geringere CO2-Intensität und einen besseren ESG-Score hat.

Zudem können sie andere Nachhaltigkeitskriterien wie kontroverse Aktivitäten in ihrer Auswahl von ETF miteinbeziehen. Nachhaltige Obligationen-ETF sind nicht nur wichtig, weil Anlegende mit ihnen den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft schaffen können, auch können sich Volatilität und das Ausfallrisiko reduzieren. Das hat sich während der Covid-19-Pandemie eindrücklich gezeigt. Als mit Ausbruch von Corona im Frühjahr 2020 die Risikoscheu bei Anlegerinnen und Anlegern spürbar zunahm, entwickelten sich ESG-Indizes auf diversen festverzinslichen Anlageklassen überdurchschnittlich; dazu gehören auch Schwellenländerobligationen sowie Investment-Grade- und Hochzinsanleihen aus den USA.

Was Investoren beim Kauf von Einzelobligationen beachten sollten

Investorinnen und Investoren, die in Obligationen investieren möchten, sollten einige Kriterien beachten. Grundsätzlich ist Anlegen in Obligationen komplexer als Anlegen in Aktien. Folgende Faktoren sollen beachtet werden:

 

Kredit- oder Ausfallrisiko Bestimmend für das Kreditrisiko ist der Schuldner, der die Obligation herausgibt. Schweizer Bundesobligationen und US-Staatsanleihen gelten grundsätzlich als besonders sicher. Sie werden von den Ratingagenturen, welche die Obligationen nach Schuldnerqualität beurteilen, mit dem Bonitätssiegel AAA gekennzeichnet. Vereinfacht gilt: Je höher die Kreditrisiken, desto schlechter ist das Rating und desto höher ist die Verzinsung respektive der Coupon.

 

Konjunktureller Ausblick In einem steigenden Zinsumfeld wie derzeit besteht die Gefahr, dass Kapitalverluste bei bereits gehaltenen Obligationen entstehen. Dies war im Jahr 2022 deutlich der Fall. Nicht nur mit Aktien wurden Verluste eingefahren, sondern auch mit Obligationen. Da sich die Konjunktur weltweit durch mehrere Zinsschritte der Zentralbanken weiter abkühlen dürfte, sind die Kursverlustrisiken gesunken.

Laufzeiten Je länger die Restlaufzeiten der Obligationen sind, umso sensibler reagieren Obligationen auf Zinsänderungsrisiken. Kürzere Durationen – eine Kennzahl zur Sensibilität von Anleihen auf Zinsänderungen – helfen, das Zinsänderungsrisiko zu minimieren.

 

Währungsrisiko Bei Obligationen sollte auch das Währungsrisiko beachtet werden. Dies kann bei grossen Währungsschwankungen in Euro und Dollar gegenüber dem Schweizer Franken erheblich sein. Da eine Währungsabsicherung in der Regel teuer ist, kann dies die Zinsvorteile in einer ausländischen Währung rasch zunichtemachen.