Dem Wirtschaftswissenschafter Warren G. Bennis (1925 bis 2014) wird das Zitat zugeschrieben, dass die Fabrik der Zukunft nur zwei Angestellte haben werde: einen Menschen und einen Hund. Der Mensch sei dazu da, den Hund zu füttern. Der Hund, um den Menschen davon abzuhalten, die Geräte anzufassen. Obschon sich auch die Bank der Zukunft auf diese autonome Geräterealität zubewegt, soll an dieser Stelle (noch) nicht das Primat von «self-driving finance» ausgerufen werden. Erstens verschwinden die gemäss Swiss Banking Ende 2017 vorhandenen 143 700 Arbeitsplätze bei Banken in der Schweiz nicht epidemisch über Nacht. Zweitens kontrastiert diese funktionale Reduktion des Menschen erkennbar mit der laufenden Diskussion um die Anforderungen an den Bankmitarbeiter der Zukunft. Insbesondere die in der Branche verbreitete Ansicht, dass der Homo digitalis nach dem Vorbild des Google-Mitarbeiters Freiräume braucht und sich und sein Projekt-, Technologie- oder Organisationsumfeld in flexiblen Geschäftsprozessrealitäten innoviert, schreit förmlich nach einer Beziehung mit Berührung zu Maschinen. Relativ wertlos ist in einer digitalen
Welt und folglich für den Bankmitarbeiter der Zukunft Wissen als Humankapital sowie dessen Verwaltung und Wiedergabe als menschliches Leistungsmerkmal. Der Grund ist, dass der technologische Fortschritt hinsichtlich künstlicher Intelligenz und Datenanalyse keine Zweifel daran lässt, dass Maschinen künftig Informationen sehr viel besser verarbeiten können. Insbesondere Wissensentdeckung durch selbstlernende Algorithmen in Datenbanken, Knowledge Discovery genannt, wird nicht durch die kognitiven Grenzen des
menschlichen Mitarbeiters limitiert sein. Die für Kundenberater und deren Kunden nutzbar gemachten Daten werden sich in Zukunft bezüglich Wissenstiefe und Granularität grundlegend von heute existierenden Datenreferenzmodellen unterscheiden. Bankdienstleistungen können daher situativ angeboten werden auf der Grundlage von Datenskalierung, verhaltensbasierter Individualisierung, Differenzierung und nicht zuletzt Konnektivität (im Gegensatz zur historischen Exklusivität im Bankwesen).
Folglich ist ein menschliches Kundenberatermodell auf der Grundlage von strukturierter Wissensausführung kein gesundes Rollenverständnis für das digitale Zeitalter. Gefordert sind Wissensfreiräume, besonders in der Beratung, die auf der Grundlage maschinenbasierter Datenanalyse ein mit dem Kunden gemeinsames dynamisches Entdecken und Erleben von Wissen fördern. Das bedingt, dass der Bankmitarbeiter
Technologie greifbar und komplementierend versteht und anwendet. Immerhin ist der Hinweis erlaubt, dass besagte Technologiekompetenz nicht mit blinder Programmier-(sprach)kompetenz gleichzusetzen ist.
Die notwendige Maschinenorientierung allein ist jedoch nicht ausreichend, denn die beschriebenen datenbasierten Gestaltungsfreiräume mit dem Kunden müssen in den wenigen Momenten der Mensch-zu-Mensch-Interaktion aktiv ausgefüllt werden. Die Zukunft bietet keine deduktive Planungsgewissheit mehr auf der Grundlage stabiler Datenpunkte respektive Bedürfnisse. Vielmehr ist sie – beflügelt durch die digitale Transformation – eine Spielwiese der Opportunitäten ohne Spielfeldrand. Um in diesem Umfeld erfolgreich zu sein, braucht der Kundenberater Orientierungskompetenz im Sinne der Fähigkeit, Kundenbedürfnisse zu erforschen, mit ihnen zu experimentieren und gemeinsam mit dem Kunden die sich entwickelnden Bedürfnisse iterativ zu erleben. Gefordert ist zudem Präsenz, um diese Interaktion bedeutungsvoll zu machen und Verbundenheit mit dem Kunden zu erzielen. Bei Technologie ist all das ausgeklammert.
Die Aus- und Weiterbildung muss deshalb neben Technologiekompetenz verstärkt kreative, menschliche Orientierungspräsenz in unbekanntem Kontext vermitteln und Empathie – mithin die Fähigkeit emotional, kognitiv und sozial angemessen auf die (Gefühls-)Welt des Gegenübers zu antworten – fördern (Empathie-Banking). Das setzt unter anderem Selbstwahrnehmung und -vertrauen, Eigenverantwortung sowie die intensive und ganzheitliche Auseinandersetzung mit der Umwelt voraus. Der Bankkunde der Zukunft betrachtet die Welt nicht durch ein Schlüsselloch; es gibt schlicht keine Türen mehr.
Bankmitarbeitende brauchen folglich wieder mehr Zuversicht, wie sie uns Menschen eigentlich in die Wiege gelegt ist. Leider geht diese grundsätzliche Bereitschaft, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, mit der (schulischen) Sozialisierung gerne verloren. Kein «Roboteranzug» kann Verbundenheit schaffen. Roboter taugen nicht als Ersatz für Menschen, solange wir nicht der Fiktion der Gleichheit menschlicher und künstlicher Intelligenz verfallen. Das gilt es auch auf dem Aus- und Weiterbildungsweg zum «bionischen Bankmitarbeiter» in Erinnerung zu behalten. Die Bank der Zukunft wird möglicherweise nur zwei Angestellte haben, einen Menschen und einen Hund. Der Mensch ist dazu da, den Hund zu füttern. Der Hund, um den Menschen an seine menschlichen Werte zu erinnern.