Eines der grossen Themen unserer Zeit ist Nachhaltigkeit, das gilt für private wie auch für institutionelle Investoren. Doch seit einiger Zeit zeichnet sich ein weiterer, wachsender Trend ab: Investments in Private Markets beziehungsweise Private Equity boomen. Hierzu zählen Investments in Unternehmen, die nicht an der Börse gehandelt werden. Diese Möglichkeit ist grundsätzlich nicht neu. Doch das Potenzial, das derartige Investitionen für Anlegerinnen und Anleger bieten, ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

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Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass der Markt für private Investitionen in den letzten zehn Jahren so schnell gewachsen ist. Der Überfluss an Kapital im globalen Finanzsystem spielt eine wichtige Rolle, da die niedrigen Zinssätze Anlegende von den Rentenmärkten weg und hin zu Risikoanlagen, einschliesslich Private Equity und Risikokapital, zogen. Paradoxerweise beschleunigte die Coronavirus-Pandemie für viele die Risikobereitschaft, indem sie die Realrenditen weiter in den negativen Bereich drückte.

Frühes Potenzial

Der aggressive Kurswechsel der US-Notenbank in diesem Jahr hin zu einer Straffung der Geldpolitik hat die Risikoaversion verstärkt und zu einem steilen Rückzug sowohl an den öffentlichen als auch an den privaten Märkten geführt (was sich in den Abschlägen zeigt). Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der private Markt angesichts der Volatilität seine wachsende Rolle im Finanzsystem aufgibt – im Gegenteil, viele Unternehmen werden sich wahrscheinlich für einen Aufschub ihrer Börsengänge entscheiden, solange die Bewertungen der börsennotierten Unternehmen deutlich unter dem jüngsten Niveau liegen.

Der Autor

Paolo Corredig ist Länderchef Schweiz, T. Rowe Price, Zürich.

Für die Erschliessung dieses Anlagesegments benötigen Asset Manager allerdings zwei wichtige Voraussetzungen: Sie müssen über einen Zugang zu erfolgversprechenden Unternehmen der Private Markets verfügen und die Bewertung muss realistisch sein.

Unsere grösste private Investition in den letzten Jahren war Rivian, Pionier bei der Einführung der Elektrofahrzeugtechnologie auf dem Markt für Geländewagen und leichte Nutzfahrzeuge. Das Unternehmen ist ein gutes Beispiel dafür, wie Asset Manager vielversprechende Unternehmen aufspüren und mitwachsen.

Unsere Analystinnen und Analysten verfolgen den Markt für Elektrofahrzeuge seit mehr als einem Jahrzehnt genau. Teslas Erfolge sind zwar phänomenal, aber das Unternehmen hat auch seinen Anteil an Wachstumsschmerzen und Fehltritten erlitten. Diese sind bei jedem neuen Unternehmen unvermeidlich, insbesondere in der ersten Phase des Wachstums einer Branche. Wir glauben, dass Rivian in der Lage sein könnte, die nächste Phase der Branche anzuführen, die wir als «EV 2.0» bezeichnen. Anstatt «das Rad neu zu erfinden», stellt Rivian Branchenveteranen ein und nutzt gezielt die effizienten Produktionsmethoden, die Automobilhersteller über Jahrzehnte hinweg verfeinert haben.

Nach einer ersten Vorstellung von Rivian durch eine vertrauenswürdige Beziehung bei Amazon und einer gründlichen Due-Diligence-Prüfung schlossen wir uns Amazon bald als Hauptinvestor von Rivian an und leiteten die letzten drei Runden der privaten Finanzierung. Rivian lieferte seine ersten Fahrzeuge im August 2021 an Kunden aus und ging drei Monate später an die Börse.

Potenzial und hohe Bewertungen

Die Bewertungen privater Unternehmen sind weiterhin hoch, auf absoluter und relativer Basis zu den öffentlichen Märkten. Es kann oft mehrere Quartale dauern, bis sich die privaten Bewertungen an das niedrigere Niveau der öffentlichen Märkte angepasst haben. Da der Markt mit Kapital überschwemmt wurde, sind Selektivität und Forschung von entscheidender Bedeutung. Wir sind davon überzeugt, dass die Zukunft in Portfolios liegt, in denen private und börsennotierte Unternehmen ihren Zweck erfüllen.

Der Boom bei den privaten Investitionen zeigt sich am deutlichsten an der Zahl der Einhörner, also der privaten Unternehmen mit einer Bewertung von über 1 Milliarde Dollar. Stand Ende 2021 gab es weltweit 975 solcher Unternehmen, verglichen mit 93 nur sieben Jahre zuvor. Bis vor kurzem waren die meisten Einhörner in den USA ansässig, und zwar überwiegend im Silicon Valley.

In jüngster Zeit schliessen jedoch China und Indien mit ihrer enormen Bevölkerungszahl und ihren schnell wachsenden Volkswirtschaften die Lücke. Während Einhörner typischerweise im Technologiesektor – insbesondere in der Softwarebranche – zu finden waren, nutzen Unternehmen in anderen Sektoren zunehmend Technologien für Innovationen. Das Ergebnis ist ein Umbruch in der Mobilindustrie und dem Einzelhandel bis hin zum Gesundheitswesen und den Finanzdienstleistungen.