Die ambitionierten Ziele der Europäischen Union, die umweltbelastenden CO₂-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken und in einem zweiten Schritt bis 2050 vollständig klimaneutral zu werden, werden durch einen bunten Strauss an Massnahmen zur Dekarbonisierung unterstützt. Sie betreffen die Realwirtschaft, die Finanzmärkte und auch die Geldpolitik (siehe Box).

In der Schweiz hat das Stimmvolk dem Klima- und Innovationsgesetz bereits im Juni 2023 zugestimmt. Das Gesetz verpflichtet die Schweiz dazu, den Energieverbrauch des Landes bis 2050 ebenfalls auf Netto-null-Niveau zu senken. Unternehmen und Immobilienbesitzerinnen und -besitzer erhalten vom Bund dabei finanzielle Unterstützung und andere Anreize, um die Umstellung auf klimafreundliche Systeme voranzutreiben.

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Diese bahnbrechende Gesetzgebung folgte auf die bereits rechtsgültige Verordnung über Klimaangaben, die im November 2022 in der Schweiz verabschiedet wurde. Sie richtet sich an grosse Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, einer Bilanzsumme oberhalb von 20 Millionen Franken und einem Umsatz über 40 Millionen Franken jährlich. Sie sollen ab 2024 die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD) verbindlich umsetzen und ausführlich über ihre Klimabelange berichten.

Der Autor

Thomas Hohne-Sparborth, Head of Sustainability Research, Lombard Odier Investment Managers, London.

Diese klimabezogenen Finanzinformationen nach TCFD werden wiederum auch den Investoren und Investorinnen helfen, die Swiss Climate Scores – eine Reihe von Best-Practice-Indikatoren für Investierende, die auf den TCFD-Empfehlungen beruhen – zu übernehmen. Diese Scores stehen für mehr Transparenz bei der Klimaverträglichkeit von Finanzanlagen, und mit ihnen soll ermittelt werden, wie gut Investmentfonds auf das Pariser Abkommen ausgerichtet sind. Zudem werden Anlageentscheidungen gefördert, die zu diesen Zielen beitragen.

 

Risiken des Übergangs

Die wachsenden Ansprüche an die Unternehmen zur Offenlegung ihrer Emissionspolitik und zur Ausrichtung auf die Netto-null-Ziele birgt natürlich auch Risiken und wird nicht ohne Reibung und Bereinigung vonstattengehen. Doch führt kein Weg daran vorbei, denn Nichtstun könnte gleich von mehreren Seiten abgestraft werden: Unternehmen, die sich der Offenlegung ihrer Klimaperformance widersetzen, drohen hohe Strafen aus Bundesbern oder Strassburg. Zudem könnte die Nachfrage einbrechen, da die Kundschaft ihre Nachfrage expliziert vermehrt auf umweltfreundliche Waren und Dienstleistungen ausrichtet. Dies könnte Mitbewerbern im Markt, die mehr Transparenz bieten, die sich stärker auf die Dekarbonisierung ausrichten und die die «grünen» Erwartungen der Kunden und Kundinnen erfüllen, spürbar in die Hände spielen. Darüber hinaus machen sich Reformverweigerer auch von immer teurer werdenden Emissionsgutschriften im CO₂-Handel abhängig – anstatt mehr Mittel in die Dekarbonisierung des eigenen Unternehmens zu investieren und damit auch möglichen Haftungsfragen zu entgehen, die durch Versäumnisse bei der Dekarbonisierung einst aufkommen könnten.

Um sich als Investorin oder Investor mit den Netto-null-Zielen und der Klimapolitik in Einklang zu bringen und ein gesamtes Investitionsportfolio auf Netto-null-Emissionen auszurichten, reicht eine Anlagestrategie, welche sich ausschliesslich auf den CO₂-Fussabdruck stützt, nicht aus. Denn dieser liefert lediglich rückwärtsgerichtete Daten und gibt Auskunft über bereits ausgestossene Emissionen. Aber Investierende, die sich auf die Dekarbonisierung bis 2050 konzentrieren, müssen das künftige Potenzial eines Unternehmens zur Emissionsreduzierung verstehen. Vorausschauende Erkenntnisse ermöglichen es den Investierenden, die Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Kohlenstoffemissionen kontinuierlich neu zu bewerten und die Ausrichtung des gesamten Portfolios auf den Netto-null-Umstieg zu verbessern.

Die EU-Initiativen zu grüner Geldpolitik

Green-Deal-Industrieplan: Der Vier-Säulen-Rahmen für die Umgestaltung der Branche besteht aus vier Pfeilern: vorhersehbare, vereinfachte Regulierung, schnellerer Zugang zu Finanzmitteln, bessere Qualifikationen, offener Handel für widerstandsfähige Lieferketten.

Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte: Ab 2026 wird die Besteuerung von Emissionen im Zusammenhang mit importierten Produkten eingeführt.

Programm zum Ankauf von Unternehmen durch die EZB: Die EZB investiert nur in Unternehmen, die Pläne zur Erreichung glaubwürdiger Dekarbonisierungsziele umsetzen.

Emissionshandelssystem: Der weltweit grösste Markt für die Einhaltung von Vorschriften.

Capital Requirements Regulation (CRR) und Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD): Die CRR verpflichtet grosse Finanzinstitute zur Offenlegung klimarelevanter Daten.

Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzen (SFDR): Die Investoren und Investorinnen müssen die Indikatoren des Grundsatzes der nachteiligen Auswirkungen berücksichtigen.

Swiss Climate Scores

Greenhouse Gas Protocol (deutsch: Treibhausgas-(THG-)Protokoll).