Vermögensschutz spielt für Anleger eine zentrale Rolle – aufgrund persönlicher Risikobereitschaft oder wegen spezifischer Anlageziele. Besonders bedeutsam wird er jedoch, wenn Anleger aus der Verantwortung für Dritte, etwa Kinder oder andere Familienangehörige, handeln. «In vielen Fällen kann es ausschlaggebend sein, eine moderate persönliche Risikobereitschaft oder besondere Anlageziele zu verfolgen», sagt Jan Viebig, CIO von Oddo BHF SE und Co-CIO der Oddo BHF Gruppe. «Doch oft hat der Vermögensschutz einen besonderen Stellenwert, weil Anleger aus der Verantwortung für Dritte heraus handeln.»
Ein verbreitetes Missverständnis beim Vermögensschutz besteht darin, dass Vermögensverluste grundsätzlich ausgeschlossen werden sollen. «Eine solche ‹Absolute Return›-Strategie ist sehr restriktiv, denn für das Mehr an Sicherheit wird auf Rendite verzichtet», so der Experte. «Die unbedingte Vermeidung oder Begrenzung von Verlusten schränkt die zu erwartende Rendite stark ein.» Zudem können strikte Verlustbegrenzungen zu prozyklischen und damit schlechten Anlageentscheidungen führen. Ein typisches Problem strikter Verlustbegrenzungen ist jedoch, dass nach Verlusten in einer frühen Phase keine Risikopuffer mehr verfügbar sind, um Risikopositionen neu aufzubauen und Verluste wettzumachen.
Risiken lassen sich minimieren
Statt restriktiver Regeln empfiehlt Viebig daher einen langfristigen Anlagehorizont und eine wohlüberlegte Auswahl der Anlagen: «Die Erfahrung lehrt, dass mit zunehmender Länge des Anlagehorizonts die Streubreite der Anlageergebnisse am Aktienmarkt – über den gesamten Anlagezeitraum betrachtet – kleiner wird. Ein langer Anlagehorizont ermöglicht einen relevanten Anteil von Aktien und damit die Vereinnahmung der Aktienrisikoprämie, wodurch eine höhere Rendite erzielt werden kann, während das Risiko sinkt.» Und auch wenn es Perioden mit Verlusten geben kann, lassen sich Risiken durch gute Diversifikation und sorgfältige Selektion vermindern. «Die Diversifikation, eine breite Streuung über Anlagen mit unterschiedlichen Charakteristika, trägt dazu bei, dass Verluste und Gewinne sich innerhalb des Portfolios ein Stück weit ausgleichen», sagt Viebig.
Darüber hinaus betont er die Wichtigkeit ausgewogener Assetklassen-Gewichtung, wenn es um den Vermögensschutz geht. Besonders angesichts unerwarteter finanzieller Risiken und Krisen wie Marktcrashs oder rechtlicher Ansprüche rät er zu Folgendem: «Anleihen spielen naturgemäss eine umso grössere Rolle, je stärker der Schutzgedanke im Vordergrund steht. Währungsrisiken sollten möglichst vermieden werden.» Hier kann die Beimischung von Gold den Diversifikationseffekt verstärken, da Gold tendenziell dann glänzt, wenn die Sorgen zunehmen, und als Gegenspieler zum Aktienmarkt fungiert. Eine Faustregel für das Mischverhältnis lautet aus Expertensicht: ein Prozent Gold auf zehn Prozent Aktien. Und auch die Auswahl von Einzelwerten sollte sich ebenfalls am Gedanken des Vermögensschutzes und der Langfristigkeit orientieren. «Aktien sollten ihr Ertragspotenzial über längere Zeiträume entfalten, nicht als kurzer Feuerzauber», so Viebig. «Die Auswahl sollte auf Unternehmen konzentriert sein, die über Innovationskraft und eine starke Marktposition verfügen, während sich die Bewertung in einem vertretbaren Rahmen hält.»
Auch die Chancen sehen
Insgesamt bieten gute Diversifikation, langfristiges Denken und eine qualitätsorientierte Auswahl von Aktien zu einem vernünftigen Preis einen wichtigen Schutz vor Krisen und anderen bösen Überraschungen. Das Vermögensschutzkonzept bleibt jedoch anspruchsvoll, besonders in Zeiten erhöhter Volatilität und politischer oder wirtschaftlicher Unsicherheit. Doch Viebig sieht in solchen Phasen auch Chancen: «Phasen hoher Volatilität bieten gut vorbereiteten Anlegern unter Umständen Möglichkeiten zum Einstieg in den Markt oder zur Aufstockung von Positionen.» Und hier kommen dann auch internationale Investments ins Spiel. Obwohl oder weil Anleger gerade in unruhigen Phasen oft zu einem Zug nach Hause tendieren. Viebig warnt allerdings vor einem übermässigen Home Bias: «Zum einen trägt die Internationalisierung zur Diversifikation bei, zum anderen erschliesst sie Märkte mit möglicherweise höherem Renditepotenzial. Der US-Markt zeigt beispielsweise eine systematisch höhere Eigenkapitalrendite als die meisten europäischen Märkte.» Jedoch sind dabei die Währungsrisiken sorgfältig abzuwägen, wodurch eine fundierte Entscheidung unter dem Gesichtspunkt des Vermögensschutzes erforderlich wird.
Neue Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Robo-Advisors bieten zusätzliche Hilfsmöglichkeiten für Anleger. «Die Nutzung von KI wird Wirtschaft und Gesellschaft über die kommenden Jahre entscheidend verändern und prägen», sagt Viebig. Dennoch bleibt für ihn die persönliche Beratung durch einen Experten unverzichtbar: «Das Vermögen unserer Kunden in die Hände einer Maschine zu legen, deren Räsonieren uns letztlich verschlossen bleibt, ist uns zu viel des Guten. Die persönliche und vertrauensvolle Beziehung zum Kunden bleibt Kern des Vermögensverwaltungsgeschäfts.»