Anfang Juli war es so weit: Bei einem Aktienkurs von 164 Dollar war der US-Chiphersteller Nvidia das erste Unternehmen, das eine Marktkapitalisierung von 4 Billionen (4000 Milliarden) US-Dollar erreicht hatte. Seither ist die Aktie um weitere zehn Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Microsoft, die Nummer 2 nach Marktkapitalisierung, kommt derzeit auf 3,7 Billionen Dollar Marktkapitalisierung, Apple, die Nummer 3, bringt es auf 3,4 Billionen Dollar. Wo liegen die Grenzen des Wachstums? Und was kann da schiefgehen? Auch für Investoren? Oder gerade für sie?

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Zyklus, Zyklus, Zyklus

Allerhand. Intel beispielsweise hatte 1999 eine seinerzeit astronomisch anmutende Marktkapitalisierung von 274 Milliarden Dollar erreicht, lediglich Microsoft war mit 350 Milliarden Dollar noch mehr wert. Heute liegt die Kapitalisierung von Intel bei 100 Milliarden Dollar – und die US-Regierung ist kürzlich mit einem 10-Prozent-Anteil eingestiegen, um den strategisch wichtigen Chiphersteller zu stützen. 

«Die Nachfrage nach Chips wird weiter steigen, aber die Zyklen definieren das Game», erklärt Julia Ostian, Halbleiteranalystin bei Seeking Alpha, einer Investorenplattform. Nachfragezyklen, Anpassungszyklen bei den Lagerbeständen, Technologie- und  Investitionszyklen überlagern sich. Boom- und Bust-Entwicklungen prägen deshalb die Entwicklung der Chip-Unternehmen und ihrer Aktienkurse: Wer sich hier einen Vorsprung erarbeitet und mehr Halbleiter zu höheren Preisen verkaufen kann, motiviert alle weiteren Marktteilnehmer, selbst mehr zu investieren, Kapazitäten auszubauen und damit das Angebot zu vergrössern. Ab einem bestimmten Punkt – das kann eine Rezession sein, aber auch eine geopolitische Auseinandersetzung – flacht die Nachfrage ab, und die Chip-Preise zerfallen. «Halbleiter sind zwar essenziell für die modernen Technologien, aber um hier zu investieren, muss man das zyklische, kapitalintensive Geschäft in dieser segmentierten Industrie gut verstehen», rät die Analystin.

Entwarnung von den Zulieferern 

Das geschieht etwa über das enge Mitverfolgen der Lagerbestände und der Verkaufsziffern. «Die Nachfrage nach den Hopper- und Blackwell-Chips von Nvidia bleibt hoch», sagt Blayne Curtis, Analyst bei der US-Investmentbank Jefferies. «Sie sind überall ausverkauft. Auch für die neuesten Chipvarianten steigt die Produktion, womit die Befürchtungen um Probleme bei den Lieferketten vom Tisch sein sollten.» Für das kommende Jahr rechnet er mit einem Gewinn von mehr als 7 Dollar pro Aktie, für 2027 prognostiziert Curtis mehr als 8 Dollar. Nicht nur das boomende Geschäft mit den KI-Prozessoren für grosse Rechenzentren, auch die viel kleinere Gaming-Sparte und die noch junge Auto-Chip-Einheit sollen überdurchschnittlich wachsen. 

Zum Vergleich: Für das laufende Jahr sind 4.50 Dollar zu erwarten. Auf der Basis der Gewinnerwartung für 2026 ist die Nvidia-Aktie mit dem 28-Fachen des Gewinns bewertet. Während der vergangenen zehn Jahre war Nvidia zwischen dem 17- und 60-Fachen der Gewinne bewertet – so gesehen, erscheine der gegenwärtige Aktienpreis als angemessen, meint Curtis. «Nvidia bleibt deshalb unser Favorit.» Er setzt ein Preisziel bei 205 Dollar. 

Die besten Kunden entwickeln Konkurrenzchips 

Auch Stacy Rasgon, Halbleiteranalyst beim Broker Bernstein, bleibt bezüglich Nvidia optimistisch: «Das Geschäft mit den Rechenzentren der grossen Hyperscaler steht erst am Anfang.» Allerdings lauern hier auch beträchtliche Risiken. Laut Curtis arbeiten einige der gegenwärtigen Grosskunden an eigenen KI-Chips, was die Preise der Nvidia-Prozessorenplattformen, die inklusive weiterer Halbleiter ausgeliefert werden und für die mittlere fünfstellige Beträge fällig werden, unter Druck bringen könnte. Auch könnte die Nachfrage nach KI-Chips rasch nachlassen, wenn die Investitionen der grossen Rechenzentren zurückgeschraubt werden, weil beispielsweise einfachere, sparsamere Verfahren für die KI-Entwicklung auf den Markt kommen. Und die grossen Techfirmen aus China entwickeln gerade eigene KI-Chips, um die Wirkung der US-Chip-Exportbeschränkungen zu mildern. So schickte Ende August die Meldung, wonach das chinesische Start-up DeepSeek seine Modelle auf Basis neuer KI-Chips von Huawei verbessern will, die Aktienkurse von Nvidia auf Talfahrt. 

Jensen Huang, CEO von Nvidia, prognostiziert für die kommenden Jahre dennoch eine Fortsetzung des Booms. «Die KI-Revolution hat eben erst begonnen», sagte er Anfang August an der Ergebnispräsentation für Medien und Analysten. «Alles, was wir bis ins kommende Jahr produzieren, ist verkauft – und je mehr unsere Kunden kaufen, desto mehr können sie wachsen.»