Für den Handel von Gütern ist eine reibungslos funktionierende, hochautomatisierte Warenwirtschaft ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die Basis dazu bilden Stamm- und Bestandsdaten, die durchgängig in allen Kanälen konsistent und aktuell sein müssen. Ansonsten lassen sich Geschäftsprozesse nie zeit- und kosteneffizient abwickeln.

Die Folge sind Lieferverzögerungen, falsche Informationen zu Verfügbarkeit, Produkt und Leistung und schliesslich sinkende Kundenzufriedenheit, hohe Ab-sprung- und sinkende Konversionsraten bei gleichzeitig steigenden Retourenquoten – von Engpässen bei Montageund Serviceleistungen, steigenden Kosten für Datenhaltung, Datenpflege und IT ganz zu schweigen.

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Diese Problematik wird in den letzten Jahren – zusätzlich getrieben durch die Co-vid-19-Pandemie – durch die steigenden Erwartungen der Kundinnen und Kunden verschärft. Sie wünschen taggleiche Lieferung, flexible Lieferoptionen wie Click and Collect, Zustellung an unterschiedliche Adressen oder an Abholpunkte in ihrer Nähe. Händler benötigen dafür eine ausgeklügelte Lagerhaltung und viele neue Logistikknotenpunkte wie Filialen und Online-Fulfillment-Center, die gleichzeitig zu einer Senkung der Gesamtlogistikkosten beitragen sollen.

Komplexere Lagerung und Lieferung

Der Trend zum Streckengeschäft zeigt sich als zusätzliche Schwierigkeit, weil Produkte direkt vom Hersteller oder Distributor zu den Kundinnen und Kunden geliefert werden und deshalb die Stammdaten in den Systemen nicht hinterlegt sind. Zur Veranschaulichung: Ein Vollsor-timents-Supermarkt mit fünfzig Filialen kann, bezogen auf den Artikelstamm im Warenwirtschaftssystem, bis zu 1,5 Millionen Artikel – verteilt über Tausende Warengruppen –, täglich über 1000 neu zu erfassende Artikel und damit Dutzende Millionen Artikeldatensätze aufweisen. Dabei enthält ein einzelner Datensatz infolge Produkt- und Lieferanteninformationen und der einzuhaltenden gesetz lichen und unternehmensinternen Vor gaben gern über 100 Attribute.

Es versteht sich von selbst, dass die Regeln, nach denen diese Artikeldaten zu erfassen und zu pflegen sind, durch die Anwenderinnen und Anwender allein nicht mehr überblickt werden können.

Ohne korrekte Informationen allerdings kommt es zu Problemen in der gesamten Lieferkette. Händler testen deshalb seit einiger Zeit einen Mix aus verschiedenen Lösungen für Lagerung und Kommissionierung und verlegen den Fokus teilweise auf verbesserte Sortier vorgänge. Das ist auch nötig, denn Omnichannel-Lager wickeln Bestell- und Materialflüsse für den Nachschub im Laden und für Online-Kunden und -Kundinnen ganz unterschiedlich ab. Einige Einzelhändlerinnen und -händler haben zwar integrierte Lagerpositionen für die Nachbestellung in den Filialen und für Online-Bestellungen. Das allerdings erfordert ein fortschrittlicheres Bestandsmanagement sowie spezielle, dafür ausgebildete Mitarbeitende mit neuen Fähigkeiten und Kompetenzen.

Integrierte Lagerhaltung kann auch zu einem Mix von Kommissionierungsmethoden führen (zum Beispiel Einzel- versus Batch-Kommissionierung), was wiederum häufig mit der Einführung eines fortschrittlicheren Lagerverwaltungssystems und mit Automatisierung einhergeht. Händler haben denn auch teilweise bereits mächtige Automatisierungssysteme für das Management ihrer Daten oder planen zumindest, in solche zu investieren.

Viele übernehmen Daten händisch, was hohe Kosten und mehr Fehler nach sich ziehen kann.

Einen wichtigen Aspekt im Zusammenhang mit Automatisierung und Stammdaten bildet aber die Qualität der Entwicklung und Integration der verschiedenen Systeme innerhalb des Warehouse und zwischen den verschiedenen Knotenpunkten im Omnichannel. Zwar bieten gängige Tools über die bestehenden Businesslösungen hinaus den Konsumentinnen und Konsumenten spezifische Verfügbar-keits- und Beschaffungsinformationen über alle Verkaufs- und Kommunikationskanäle hinweg. Sie unterstützen verschiedene IT-Prozesse im Sinne des Omnichan-nel-Gedankens.

Die Systeme benötigen aber allesamt verlässliche Stammdaten zu Artikeln, Betrieben, Warengruppen, Preisen und vielem mehr. Die meisten Händler aber gehen mit der Problematik der mangelnden Datenqualität – gelinde gesagt – traditionell um: Zwar tauschen sie notwendigerweise Stammdaten über das sogenannte Global Data Synchronisation Network aus. Viele aber übernehmen grosse Teile der Daten auch noch händisch, was hohe Kosten und noch höhere Fehleranfälligkeit nach sich ziehen kann.

Automatisierung der Datenpflege

Dabei gibt es Möglichkeiten, die eine direkte Fehlerbehebung erlauben, weil sie den Pflegeprozess bereits in der Dialogverarbeitung absichern. In der Folge können keine fehlerhaften Stammdaten gespeichert werden. Dazu werden die Geschäftsregeln individuell konfiguriert, was eine Validierung eindeutiger Datenkonstellationen erlaubt. Selbst komplexe Business Rules sind mit wenigen Klicks definiert und eingestellt, ohne dass dazu IT-Wissen zu benötigt wird.

In jüngster Zeit allerdings hält auch in diesem Bereich Machine Learning Einzug, sodass unscharfe Datenkonstellationen identifiziert werden können. Es wird zum Beispiel nicht nur kontrolliert, ob die Werte für Masse und Gewichte erfasst sind, sondern auch, ob diese auch tatsächlich zusammenpassen. Durch automatisierte Vorschlagswerte ist dann eine einfache Fehlerkorrektur möglich. Die Algorithmen sind ausserdem darauf ausgelegt, kontinuierlich zu lernen. Damit diese Systeme allerdings die Sicherung der Stammdatenqualität gewährleisten können, müssen sie komplett in die Warenwirtschaftslösung und deren Umsysteme integriert sein.

Der PwC-Studie «Master Data Management im Handel und in der Konsumgüterindustrie» von 2018 zufolge spüren traditionelle Handelssegmente schnellere Reaktionszeiten auf sich ändernde Markt- und Kundenanforderungen stärker als etwa Online-Händler. 60 Prozent der befragten Unternehmen stimmen zwar gänzlich der Aussage zu, dass eine Stammdatenmanagementlösung eine notwendige Voraussetzung für die Digitalisierung ihres Geschäftsmodells ist. Bei der Differenzierung nach Handelssegmenten überrascht allerdings, dass nur rund zwei Drittel der Online-Händler der Aussage vollkommen zustimmen – ein Drittel also nicht.

Falsche Daten mit teils fatalen Folgen

Ein Grund dafür könnte sein, dass sich Online-Händler bereits als sehr gut digitalisiert ansehen oder aber die Relevanz eines hoch entwickelten Stammdatenmanagements unterschätzen. Eines ist indes sicher: In der Praxis können falsch erfasste Artikeldaten fatale Folgen haben. Kommen Warenlieferungen am falschen Ort an, weil Tiefkühlwaren an ein Lager ohne Kühlbereich geliefert werden, müssen ganze Wagenladungen vernichtet werden. Das merken je nachdem die Kunden und Kundinnen nicht. Werden aber etwa artgleiche Artikel wie etwa Tafelschokolade mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen im System manuell falsch zusammengefasst und deshalb Regeln nicht immer konsequent umgesetzt, kommt es zu unterschiedlichen Preisen in den Ladengeschäften.

Mangelhafte Datenqualität kann dann nicht nur zu hohen Kosten, sondern auch zu sinkender Kundenzufriedenheit führen. In Zeiten der sozialen Medien folgen Imageschäden auf dem Fusse – vom Korrekturaufwand bei den Daten gar nicht zu sprechen. Wichtig ist deshalb, dass die Stammdatenqualität nicht nur mit neuen Technologien optimiert, sondern auch kontinuierlich mit Analysemethoden überwacht wird.

Andreas Schönecker, Leiter Competence Center Omnichannel; Amelie Winters, Senior Consultant Retail; beide Retailsolutions, Zug.