Uhren, Käse und Schokolade. Noch immer gelten diese drei Produktegruppen in der Wahrnehmung vieler Menschen als die schweizerischen Exportschlager schlechthin. Und obschon es berechtigt ist, dass sich diese Artikel weltweiter Beliebtheit erfreuen, gehören sie bei weitem nicht zu den relevantesten Gütern, welche die Schweiz zu bieten hat. Vielmehr sind es innovative Ideen sowie disruptive Technologien, die unsere Wirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung stärken – und unser im Vergleich kleines Land regelmässig an die Spitze internationaler Innovationsrankings katapultieren.

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Das kommt nicht von ungefähr: Die Schweiz gehört seit je zu den international führenden Forschungs- und Entwicklungsstandorten. Gleichzeitig ist sie Weltspitze darin, die Erkenntnisse der Grundlagenforschung durch Technologietransfer in wirtschaftlich nutzbare Lösungen umzuwandeln. Doch genau diese Stärke wird aktuell arg strapaziert.

Das Scheitern der Rahmenverhandlungen mit der EU erschwert für hiesige Forschende die Kooperation mit ihren europäischen Kollegen. Die Herabstufung der Schweiz zum nicht assoziierten Drittstaat hat unter anderem dazu geführt, dass wir aus strategischen Bereichen des europäischen Forschungsprogramms Horizon Europe ausgeschlossen wurden – das mit einem Budget von rund 95 Milliarden Euro das grösste Forschungsprogramm der Welt darstellt. Dieser Ausschluss hat vor allem Auswirkungen auf die Quantenforschung und Raumfahrt.

Arbeit und Wissen gehen verloren

Der im August angekündigte Konkurs des Unternehmens Syderal, das Ausrüstungen für die Raumfahrtindustrie herstellte, oder die Eröffnung eines F&E-Zentrums in Österreich von ID Quantique, einem Schweizer Spezialisten für Datenverschlüsselung durch Quantenkryptografie, sind Beispiele für die Konsequenzen des genannten Ausschlusses. Darum ist es begrüssenswert, dass das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sich bereit erklärt hat, in die Bresche zu springen und betroffene Forschungseinrichtungen und Projekte finanziell zu unterstützen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, der aber nicht der einzige bleiben darf.

Die Schwierigkeiten, die sich durch den Ausschluss von Horizon Europe ergeben, veranschaulicht das Projekt «macQsimal»: Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurden miniaturisierte Atomuhren sowie andere hochempfindliche Quantensensoren entwickelt. Das Anwendungspotenzial dieser Technologie ist enorm, sei es im medizinischen Bereich für nicht invasive Diagnostik, sei es in der Automobilindustrie für sichere autonome Navigation oder in Telekom-munikations- und Energieversorgungsnetzen für Synchronisationszwecke, und hätte daher den Aufbau eines neuen europäischen Industriezweiges einläuten können. Lanciert wurde «macQsimal» im Jahr 2018, die Koordination oblag dem CSEM-Forscher Jacques Haesler. Dass eine Schweizer Forschungseinrichtung die Leitung eines so wichtigen Projektes mit einem Budget von über 10 Millionen Euro innehatte, ist auf die grosse Erfahrung der CSEM-Fachleute in diesem Feld zurückzuführen, die so neue Ansätze erfolgreich erproben konnten.

Stolpern auf der Zielgeraden

«MacQsimal» ging Ende Juli planmässig zu Ende. Doch aufgrund der neuen Ausgangslage wird die Atomuhr nun ausschliesslich in der Schweiz weiterentwickelt – dank den zu erwartenden Geldern des SBFI sowie der ESA. Gleichzeitig verläuft die Entwicklung weiterer Quantensensoren, die auf den «macQsimal»-Ergebnissen basieren und auf wichtige Märkte wie das autonome Fahren abzielen, ohne Schweizer Beteiligung weiter. Dies ist alles andere als ideal, da hierzulande das grösste Know-how in diesem Feld vorhanden ist. Das Gegenteil einer Win-win-Situation, für alle Seiten.

Auch für künftige Projekte in den Bereichen Quanten und Raumfahrt sieht es nicht rosig aus. Zwar dürfen Schweizer Forschende künftig Projekte mit der EU vorantreiben – aber nur solche mit einem tiefen «Technology Readiness Level» (TRL). Dabei handelt es sich um Vorhaben, die noch weit weg sind von der Markteinführung konkreter Lösungen. Sobald diese Projekte sich der Marktreife nähern, muss die Schweiz aussteigen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Schweiz darf zwar als Küchenhilfe mitarbeiten – profitiert aber anschliessend nicht vom Verkauf der Mahlzeiten.

«Wir sollten uns das Sprichwort ‹Hope for the best, plan for the worst› zu eigen machen.»
Alexandre Pauchard CEO, CSEM

 

So frustrierend sich die aktuelle Situation auch präsentiert: Als CEO von CSEM bin ich der Ansicht, dass es weder in unserem Interesse noch in unserer Natur liegt, in Selbstmitleid zu zerfliessen. Als Forschungsinstitut agieren wir als Bindeglied zwischen der Welt der Wissenschaft sowie der Industrie – und diese Aufgabe werden wir weiterhin wahrnehmen.

Ich halte den politischen Willen des Bundes, Forschende, die im Bereich der Quantentechnologien tätig sind, finanziell zu unterstützen, für ein positives Signal. Es braucht jedoch eine langfris tige Strategie zur Unterstützung dieser für die Zukunft entscheidenden Technologiebereiche, mit einer den Herausforderungen angemessenen Finanzierung. Alle unsere europäischen Nachbarn machen derzeit im Feld der Quantenforschung enorme finanzielle Mittel frei. Deutschland hat beispielsweise im letzten Jahr beschlossen, in den nächsten fünf Jahren 2 Milliarden Euro in Quantentechnologien zu investieren. Im Hinblick auf unsere Beziehungen zu Europa sollten wir uns das Sprichwort «Hope for the best, plan for the worst» zu eigen machen. Elementar für Letzteres ist ein strategisches Schweizer Quantum-Programm, bei dem der Schwerpunkt auf Entwicklungen mit hohem Techno-logie-Reifegrad liegt. Zudem sind Massnahmen zur Reifung und Industrialisierung relevanter Technologien wichtig, damit die geleisteten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten kommerzialisiert werden können. Allgemein von grosser Bedeutung ist auch, dass wir über alle Forschungsbereiche hinweg in der Industrie und in akademischen Verbänden aktiv bleiben. Zum Glück zeichnen wir uns in der Schweiz eben nicht nur durch unsere Uhren, unsere Schokolade und unseren Käse aus – sondern auch durch unsere Innovationskraft und unseren Pragmatismus.

Fünf historische CSEM-Innovationen

1967: CEH (später CSEM) stellt die erste Quarzarmbanduhr der Welt her.

1995: Die Logitech-Trackman-Marble-Trackball entsteht durch CSEM. Es ist die erste grossvolumige Computermaus.

1997: Geburt von 3G, Durchbruch in der Telekommunikation.

2014: Weltweit erste rein weisse und farbige Solarpanels.

2017: Kleinster Bluetooth-Chip: Die Ultraminiaturisierung elektronischer Komponenten ist entscheidend für tragbare elektronische Geräte und für das Internet der Dinge.

Fünf spannende CSEM-Projekte

Menschliche Venen aus dem Labor: Weltweit erste Maschine zur Herstellung menschlicher Venen.

Integrierte Photovoltaik: Erste Integration in Fahrzeugseiten.

Handliches Wearable für Epilepsie-Patienten: Eine gewöhnliche Brille wird in eine intelligente Brille für Epileptiker verwandelt, mit laufender Überwachung ihrer Hirnströme.

KI für die Identifikation von Kunstwerken: Kunstwerke erhalten den digitalen Fingerabdruck.

Laser-Test für die Nasa: Erkenntnisse zur Struktur Schwarzer Löcher und zur Entstehung des Alls.