Die Versorgungssituation in den Lieferketten hat sich in den vergangenen Monaten entspannt. Dennoch ist das kein Grund zum Aufatmen. Für sieben von zehn Schweizer Unternehmen ist klar: Ihr Supply-Chain-Ecosystem birgt ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Staufen.Inova.

Für die grosse Mehrheit hat dabei eine stärkere Digitalisierung der Prozesse Priorität, um für mehr Resilienz im Ecosystem zu sorgen. Vier von zehn Unternehmen mangelt es jedoch an einer geeigneten Datenstrategie. So wird heute immer noch in vielen Unternehmen vom Einkauf bis zur Auslieferung mit Excel geplant. Das ist nicht nur fehleranfällig, sondern verhindert auch, Prozesse end-to-end zu betrachten und vorausschauende Entscheidungen zu treffen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der Autor

Achim Schwichtenberg, Senior Manager, Staufen.Inova, Zürich. 

Ein Beispiel aus der Praxis

Erst durch das Aufbrechen von Datensilos werden die Informationen im gesamten Supply-Chain-Ecosystem verfügbar und sorgen für Transparenz. Darauf aufbauend kann ein Unternehmen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) einen Nutzen in Form von vorausschauenden Entscheidungen aus generierten Fakten ziehen, statt sich auf das Bauchgefühl Einzelner zu verlassen.

Wie es gelingt, Daten über die gesamte Supply Chain hinweg nutzbar zu machen, zeigt das Beispiel eines weltweit agierenden Spezialisten für Schweisstechnik. Das Unternehmen mit knapp vierzig Landesgesellschaften war über Jahre dezentral gewachsen. Die Informationen wurden am jeweiligen Standort organisiert. Ohne einen zentralen Datenpool fehlte die Transparenz über das komplette Supply-Chain-Ecosystem und die weltweiten Lagerbestände; darunter litt die Schnelligkeit der Lieferungen. Als die Marge abnahm, entschloss sich die Geschäftsführung, die Silos aufzubrechen und den Datenbetrieb umzugestalten. Heute sorgt zum Beispiel eine einheitliche Materialnummer für jeden Artikel weltweit für Transparenz bei den Ecosystem-Beständen. Eine Software analysiert, wo was gesourct wird.

Auf diese Weise wurden die Lagerbestände und damit auch die Kapitalbindung in den Landesgesellschaften deutlich reduziert. Mittlerweile nutzt das Unternehmen zudem KI, um auf der Basis seiner Daten vorausschauend Entscheidungen zu treffen. Vorhersagen werden unter anderem zum Austausch mit Lieferanten genutzt. Das Unternehmen trifft seine Entscheidungen nun proaktiv und nicht erst, wenn ein Problem bereits aufgetreten ist. Durch die resiliente Supply Chain konnte die Geschäftsführung drohende Störungen auch in der Multikrise frühzeitig erkennen und sparte Kosten, denn es gab zu keiner Zeit Lieferengpässe. Und nicht nur das: Das Unternehmen erkennt mithilfe von KI auch, wo Wachstum möglich ist. Neue Marktanteile konnten so bereits gewonnen, Umsatz und Marge gesteigert werden.

 

Klein anfangen, gross denken

Digitalisierung und effiziente Wertschöpfung sind die beiden Themen, die viele Unternehmen derzeit am stärksten beschäftigen, insbesondere die Digitalisierung des Supply-Chain-Ecosystems sollte dabei immer vom konkreten Use-Case her gedacht werden. Es empfiehlt sich, mit kleinen Projekten anzufangen und daraus zu lernen. Allein schaffen es allerdings die wenigsten Unternehmen, die passenden digitalen Lösungen zu implementieren, um Kosten zu reduzieren, die Liefertreue zu erhöhen und die Produktionsqualität zu verbessern.

Auch ist es mit dem Aufbau der Technologie und der Einbindung fortschrittlicher Datenanalysen allein nicht getan. Unternehmen müssen sich auch kulturell im Sinne einer selbstlernenden und sich ständig verbessernden Organisation verändern. In die digitale Weiterbildung der Mitarbeitenden sollte genauso investiert werden wie in die Gewinnung neuer digitaler Talente. Und nicht zuletzt bedarf es neuer Partnerkooperationsmodelle. Denn erst wenn das Ecosystem robust auf Störungen reagiert und anpassungsfähig (resilient) ist, gelingt es, ein Höchstmass an automatisierter Reaktionsfähigkeit erfolgreich umzusetzen.