Neben der klassischen Due Diligence werden vermehrt auch ESG-Aspekte im Vorfeld einer Transaktion analysiert. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der Due-Diligence-Prüfung vor allem darauf, sicherzustellen, dass die Zielunternehmen nicht in Aktivitäten verwickelt sind, die zu Rechtsstreitigkeiten oder Reputationsschäden führen könnten. Die Due-Diligence-Phase zielte also hauptsächlich darauf ab, die Risiken für potenzielle Käuferinnen von Vermögenswerten zu verringern, indem jegliche Verfehlungen im Vorfeld ausgeschlossen wurden.

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Inzwischen ist eine zusätzliche Prüfung unter ESG-Gesichtspunkten zum Standard geworden. Sie zielt neben der Risikominderung darauf ab, den Wert eines Zielunternehmens direkt zu steigern, indem die operative Leistung verbessert und ein Aufschlag erzielt wird. Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Zielunternehmen, die bei einer solchen ESG-Prüfung mit guten Noten abschneiden, auch höhere Bewertungen verdienen.

Der ESG-Einfluss auf Multiples

Die Vermutung ist naheliegend, dass Unternehmen, die in Bezug auf ESG-Kriterien gut abschneiden, in der Regel auch finanziell besser abschneiden. Eine ESG-Positionierung hilft den Zielunternehmen in der Ausstiegsphase, ihre Bewertung zu steigern, wobei der Aufschlag für ein «gutes ESG-Asset» in der Regel zwischen 10 und 15 Prozent liegt. Dieser Aufschlag ist zum Teil auf die bessere finanzielle Leistung von Unternehmen mit guter ESG-Performance zurückzuführen, kommt aber auch zustande, weil ESG-Kriterien den Zielunternehmen den Zugang zu anderen Exit-Kanälen und anderen Arten von Investoren erleichtern, die grossen Wert auf ESG legen.

Der Autor

Jules Wurlod, Director ESG & Sustainability, Houlihan Lokey, Zürich.

Angesichts des starken Wettlaufs um ESG-Investitionen und des grossen Zustroms von Ressourcen in ESG-Anlageklassen herrscht zudem harter Wettbewerb um ESG-Investitionsmöglichkeiten, der die Bewertung von Unternehmen mit guter ESG-Leistung auch in die Höhe treibt.

Die Bemessung als Herausforderung

Obwohl sich ESG-Kriterien im M&A-Markt als zentral erwiesen haben, gibt es nach wie vor mehrere Herausforderungen bei der Umsetzung. Erstens lassen sich ESG-Risiken nur schwer quantifizieren und in Finanzkennzahlen umsetzen. Finanziell wesentliche Dimensionen variieren typischerweise von einer Branche zur anderen. Zweitens gibt es bis heute keinen harmonisierten Standard zur Bestimmung der relevanten Kennzahlen zur Messung jedes einzelnen ESG-Faktors. Dies zeigt sich an der geringen Korrelation zwischen den ESG-Bewertungen der verschiedenen Ratingagenturen.

Verschiedene Akteure bemühen sich darum, in Zusammenarbeit mit den fünf führenden globalen Standardsetzern einen standardisierten Satz von Kennzahlen für die Bereiche Umwelt, Soziales und Governance zu definieren. Dies wäre ein entscheidender erster Schritt zur einheitlichen Messung, Überprüfung und Berichterstattung der ESG-Leistung.

Vermutlich dauert es jedoch noch eine Weile, bis betreffend solcher uniformen ESG-Kriterien Einigkeit herrscht und sie flächendeckend angewendet werden können. Schliesslich wird die Integration von ESG-Kriterien in den Due-Diligence-Prozess durch die mangelnde Verfügbarkeit von Daten für Zielgrössen eingeschränkt. Dank technologischem Wandel durch den Aufstieg von Big Data, Blockchain-Lösungen und künstlicher Intelligenz besteht allerdings berechtigte Hoffnung, dass diese Herausforderung bald schneller und einfacher bewältigt werden kann.

Der Entwicklung einen Schritt voraus

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass «ESG» im Due-Diligence-Prozess für Fusionen und Übernahmen immer wichtiger wird. Von Unternehmen wird zunehmend erwartet, dass sie sowohl gute finanzielle Leistungen erbringen als auch einen transparenten, positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Der Einsatz einer ESG-Strategie kann Unternehmen nicht nur dabei helfen, operative Risiken zu verringern – von der Regulierung bis hin zu zivilgesellschaftlichem Engagement oder Aktionärsaktivismus –, sondern auch die Rentabilität ihrer Geschäfte zu steigern. Das kann auch zu höheren Bewertungen in der Ausstiegsphase führen, indem sie Zugang zu anderen Investorenkategorien erhalten, welche positiven gesellschaftlichen Auswirkungen einen finanziellen Wert beimessen.

Auch wenn es doch noch erhebliche Herausforderungen gibt, wird die Technologie in Verbindung mit der allgegenwärtigen Dynamik und den globalen Bemühungen führender Institutionen den Aufstieg von ESG weiter beschleunigen. Vorausschauende Investorinnen und Investoren und M&A-Fachleute sollten daher schon heute damit beginnen, ESG vollständig in ihre Kernaktivitäten zu integrieren, um der Entwicklung einen Schritt voraus zu sein.