Familienunternehmen schaffen mehr als andere Unternehmen eine besondere Art von emotionalem Wert, der als Socio-Emotional Wealth (SEW) bezeichnet wird und mit sozio-emotionalem Vermögen übersetzt werden kann. SEW entsteht, weil Familienunternehmen langfristige und oft sehr enge Beziehungen zu ihren Stakeholdern unterhalten, die sich gar über mehrere Generationen erstrecken können. Diese Nähe der Stakeholder zahlt positiv auf die Reputation von Familienunternehmen ein.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Sinkende Toleranz bei Greenwashing

Auch in Bezug auf Corporate Social Responsibilty (CSR) sorgt SEW für besondere vorteilhafte Rahmenbedingungen, wie eine kürzlich veröffentlichte Forschungsarbeit zeigt. Dabei wurde die Akzeptanz von CSR-Massnahmen der grossen US-Firmen im Standard & Poor 500 Index (S&P 500) untersucht, wobei zwischen Familienunternehmen und anderen Firmen differenziert wurde. Dabei zeigen sich markante Unterschiede: Familienunternehmen geniessen viel Vertrauen bei ihren Stakeholdern, die deshalb insgesamt nachsichtiger sind. Dies verschafft Familienunternehmen einen Puffer bei Aktivitäten, die sich negativ auswirken könnten. Stakeholder lassen ihnen mehr Zeit und Raum, um zu experimentieren und Fehler zu machen, weil sie letztlich glauben, dass Familienunternehmen ihr Bestes im Sinn haben.

Die Autorin

Judith Walls, ordentliche Professorin für Sustainability Management, Direktorin des Instituts für Wirtschaft und Ökologie und Delegierte des Rektors für Verantwortung und Nachhaltigkeit, Universität St. Gallen (HSG).

Aktivitäten im Bereich CSR sind oft nur schwer zu messen und zu beurteilen. Es ist nicht immer klar, ob ein Unternehmen wirklich substanziell handelt und beispielsweise effektiv in Systeme und Prozesse investiert, um Emissionen zu reduzieren, oder ob es sich nur um vollmundige Ankündigungen handelt. Firmen können versucht sein, «symbolische CSR» zu betreiben, um vorübergehend den Druck von Stakeholdern abzumildern, von Kritik abzulenken oder Handlungsbereitschaft zu signalisieren. Besteht aber zwischen den Versprechungen und Behauptungen hinsichtlich CSR und den effektiven Handlungen eine Diskrepanz, spricht man von Greenwashing.

Beispiele dafür gibt es genug, sodass der UN-Generalsekretär António Guterres anlässlich der jüngsten Klimakonferenz in Ägypten deutliche Worte wählte: «Wir können uns keine ‹slow movers›, ‹fake movers› oder irgendeine Form von Greenwashing leisten.»

Dies wohl zu Recht, denn in den zwei Jahrzehnten, seit sich Unternehmen vermehrt zur Nachhaltigkeit bekennen und entsprechende Massnahmen proklamieren, haben sich Probleme wie der Klimawandel nicht abgeschwächt, sondern verschärft. So erstaunt es nicht, dass Stakeholder wie Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden, Aktionärinnen und Aktionäre sowie Behörden und NGO zunehmend kritisch die effektiven oder eben nur vermeintlichen CSR-Aktivitäten von Unternehmen überwachen.

Startvorteil gewinnbringend nutzen

Global agierende Unternehmen mit hohem Legitimationsdruck wie grosse kotierte US-Firmen im S&P 500 sind besonders exponiert. Werden sie des Greenwashing überführt, kann das gravierende Konsequenzen haben. Es geht nicht nur um Beschädigung der Reputation, sondern auch um finanzielle Folgen.

Wie wirkt sich nun aber das sozio-emotionalem Vermögen von Familienunternehmen im Hinblick auf CSR aus? Die Forschung an der HSG zeigt, dass deren Performance besonders stark von CSR-Massnahmen profitiert – sowohl lang- wie auch kurzfristig. Familienunternehmen können gar symbolische CSR vorübergehend (bis maximal ein Jahr) positiv nutzen und finanziell davon profitieren. Dank hoher Glaubwürdigkeit gelingt es ihnen auch in diesem Fall besser als anderen Unternehmen, Bedenken bezüglich Greenwashing zu zerstreuen und einen vorübergehenden Reputationsschub zu erzielen, was sich in einer höheren Kapitalrendite niederschlagen kann. Allerdings gilt dies nur, wenn das vorübergehende Vertrauen der Stakeholder innert weniger Jahre in sinnvolle, substanzielle CSR-Massnahmen umgewandelt wird.

Die Untersuchungen zeigen, dass dies innerhalb von zwei bis fünf Jahren stattfinden muss, sonst drohen auch ihnen negative Konsequenzen. So sollen die Forschungserkenntnisse auch nicht als Aufruf an Familienunternehmen verstanden werden, Greenwashing zu betreiben, sondern effektiv als Vorbilder für CSR voranzugehen, indem sie ihren Startvorteil gewinnbringend nutzen.

Denn um eine heute noch weitgehend imaginäre Welt zu erreichen, in der die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent tiefer liegen, muss die Wirtschaft umfassende und substanzielle Massnahmen realisieren. So oder so wird das kein Spaziergang.