«Diese Hose muss ich unbedingt haben», sagte Anfang August die junge Schweizerin Sybille Etter, als sie in Tokio zum ersten Mal schwarze, weite und dreiviertellang geschnittene Hosen sah, die von trendigen Japanerinnen im dicht gedrängelten Einkaufsquartier Shibuya getragen wurden. «Denn damit bin ich meinen Kolleginnen mindestens zwei Jahre voraus.»

Trendscouts und Nachahmer

Tatsächlich zählen die beliebten Einkaufsviertel Tokios wie Shibuya, Harajuku und Ginza zu den Ecken, wo Trendscouts aufzuspüren versuchen, was übernächstes Jahr in Europa getragen wird.

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Pragmatisch gehen die grossen Hersteller wie die Inditex-Gruppe (unter anderem Zara) und H&M vor, wo es gemäss den Analysten von CB Insights lediglich zwei bis drei Wochen vom erkannten Trend bis zur Produktion dauert.

Umgekehrt greifen die digitaler gewordenen Trendscouts öfter auf die Daten zurück, die in den ERP-Systemen von Retailketten anfallen. Dort sieht man praktisch in Echtzeit, was gerade in welchen Geschäften «läuft»; diese Daten gelten als wertvolle Basis für kurzfristige Prognosen.

Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz scheinen die Chinesen, die sich auf riesige Datenmengen abstützen können, führend zu sein: Die Firma Shenlan Technology, wo man die Deepvogue genannte Software entwickelt hatte, gewann im April dieses Jahres den chinesischen Fashion Design Innovation Award. Die Software stützt sich auf die Kombination von Daten aus der Bilderkennung, Modethemen und einzelnen Stichworten, die (noch) von Menschen eingegeben werden müssen. Was bisher erkennbar ist, weicht indes nicht wesentlich von der Mainstream-Mode ab.

Vorläufig bleibt somit das menschliche Urteil unverzichtbar. So genügte ein Anruf bei einer Berliner Modeexpertin, um den von Sybille Etter aufgespürten Trend zu relativieren: «Solche Hosen waren hier vor zwei Jahren in – man nannte sie Culottes». Trends kommen offensichtlich nicht nur aus dem Fernen Osten, sondern auch aus dem nahen Norden.