Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig und revolutioniert die Art und Weise, wie wir als Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren und zusammenarbeiten. Die vermeintlich intelligenten Algorithmen werden in der aktuellen Diskussion entweder als Wundermittel zur Lösung sämtlicher Probleme der Menschheit oder als mögliches Weltuntergangsszenario beschrieben. Sam Altman, der Mann hinter Chat GPT, träumt gemäss einem Interview mit der «New York Times» von einer generellen künstlichen Intelligenz, die dem menschlichen Gehirn überlegen sein wird. Altman sagt, ihm schwebe ein schrittweiser Übergang in eine Welt mit menschenähnlicher künstlicher Intelligenz vor.

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Hoch qualifizierte Berufe betroffen

Was heute bereits feststeht: KI wird Berufsbilder verändern und verschieben. Neu ist – gegenüber früheren Entwicklungen der Industrialisierung und Automatisierungen –, dass mit KI auch hoch qualifizierte Berufe betroffen sind, stärker, als uns vermutlich heute bewusst ist. Ein interessantes und noch wenig bekanntes Beispiel ist Legal Tech. Die Arbeit von juristischem Personal eignet sich äusserst gut für die Anwendung von KI. Ein Grossteil der Arbeit ist Recherche und Auswertung grosser Datenmengen. Im Gesundheitsbereich wird KI bereits heute genutzt, um Akten zu erstellen und Prozesse zu steuern. Dadurch wird das medizinische Personal entlastet und hat mehr Zeit für die Behandlung. Ein weiteres Wachstumsfeld liegt im Bereich der Diagnostik; hier können Algorithmen bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten unterstützen. In Servicecentern kommen KI-basierte Systeme zum Einsatz, um Kundenanfragen zu bearbeiten.

Der Autor

Nicolas Durville, CEO Zühlke Schweiz, Zürich und Bern.

Die Interaktion über die menschliche Stimme hat bereits einen hohen Reifegrad erreicht und steht kurz vor der flächendeckenden Einführung. KI wird dabei zum Leadership- und Kulturthema werden. Der Einsatz ist nur dann in einem Unternehmen erfolgreich, wenn die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und in der Führungsetage vorhanden ist.

 

Viele Rechenleistungen und Daten

Die genannten Anwendungsfelder stellen nur eine kleine Auswahl dessen dar, was bereits heute möglich ist. Angesichts des Tempos und des Fortschritts ist klar, dass wir uns am Anfang einer grossen Transformation befinden. Grundsätzlich müssen wir uns aber die Frage stellen, wer entscheiden soll, nach welchen ethischen Kriterien die Algorithmen programmiert werden. Hier braucht es eine offene und transparente Diskussion. Bei aller Euphorie und allen Zukunftsfantasien müssen wir uns auch bewusst sein, dass Anwendungen von KI nicht wirklich intelligent sind, so wie wir den Begriff als Mensch verstehen. KI besteht primär aus einer starken Rechenleistung (GPU-Power), Algorithmen und grossen Datenmengen. Dieser Trainingsdatensatz ist gegeben, selbständiges Weiterlernen ist also nicht möglich und die Handlungsfähigkeit der KI entsprechend stark eingeschränkt.

Der Durchbruch zu heutigen Anwendungen kam durch die um ein Vielfaches gesteigerte Rechenleistung sowie die riesigen frei verfügbaren Datenmengen im Internet zustande. Der Algorithmus wird also anhand von unzähligen Informationen trainiert, die man ihm vorlegt. In der Bilderkennung müssen beispielsweise über 100 000 Katzenbilder vorgelegt werden, bis die nächste Katze zuverlässig erkannt wird. Das ist weit weg von intelligent, insbesondere wenn Trainingsdaten durch Menschen in Niedriglohnländern in Akkordarbeit annotiert werden. Im Alltagsjargon könnte man sagen: Dem Computer fehlt der gesunde Menschenverstand. Kaum eine KI-Anwendung besteht heute den Turing-Test, mit dem gemessen wird, inwiefern Menschen erkennen, ob sie mit einem Bot oder einem menschlichen Gegenüber kommunizieren. Was Computer wirklich gut können, ist, dass sie mit hoher Rechenleistung und vielen Daten enorm schnell lernen. Entsprechend ist der Begriff «Machine Learning» wohl passender als «künstliche Intelligenz».

 

Fortschritt ist schneller als Regulierung

Die neue Technologie bietet zweifelsfrei enorme Chancen, birgt aber auch erhebliche Risiken und Herausforderungen. Hier ist eine smarte Regulierung gefragt. Das Problem: Der technologische Fortschritt schreitet massiv schneller voran als jede regulatorische Leitplanke. Diese bietet eine enorme Hilfe bei routinemässigen Arbeiten und bei der Verarbeitung sehr grosser Datenmengen. Diese Leistungen sollten wir uns zunutze machen, ohne dabei zu starke Angstszenarien heraufzubeschwören. Technologische Errungenschaften waren schon immer Quellen grosser Ängste. Es gilt, diese zu überwinden und dafür zu sorgen, dass die Technologie KI die Menschheit weiterbringt – als intelligent eingesetztes Instrument.