Gerade im Consumer-Umfeld haben Verkauf und Marketing gelernt, nahe am Kunden zu agieren. Dazu werden zahlreiche Datenquellen ausgewertet, um individuelle Interessen, Bedürfnisse und Einkaufserfahrungen nutzbar zu machen. Ähnliche Anstrengungen laufen, um im Business-to-Business-Umfeld die Produktion zu digitalisieren. Was jedoch noch aussteht, ist die Digitalisierung des Verkaufs, dessen Prozesse vielfach noch durch Datensilos und Medienbrüche blockiert werden.

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Es fehle an einer Vernetzung, die Kunde, Verkauf und Engineering umfasse, schreiben Marco Egli, Spezialist für das Product-Lifecycle-Management bei Intelliact, und Thomas Egloff, Transformationsberater für Digitalisierungsprojekte bei Eyekon.

Besonders greifbar werde das Dilemma dort, wo digitalisierte Fertigungsverfahren im Industriesektor heute schon in der Lage seien, auch Kleinstserien rentabel, schnell und erschwinglich zu produzieren. Zumal gerade in der Schweiz im Gegensatz zu einem Massenproduktionsland wie China viel Augenmerk auf die individuelle Fertigung gelegt werde. Nur übersehe man dabei oft, dass dies nicht nur ans Engineering, sondern auch an den Verkauf hohe Anforderungen stelle.

Digital gestütztes Miteinander fehlt

Denn der Verkauf, betonen Egli und Egloff, müsse nicht nur die Anforderungen des Kunden im Detail verstehen, sondern auch die Varianten und Kombinationsmöglichkeiten der eigenen Produkte und die dafür notwendigen Produktionsbedingungen kennen. Ausserdem habe das Sales-Team bei individuellen Wünschen deren Einfluss auf Preis und Produktionszeit abzuschätzen. Um hier zu unterstützen, müsse das derzeit oft ungenutzte Potenzial in der Digitalisierung administrativer Abwicklungsstrukturen und in der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit aktiviert werden. So sei zwar klar, dass die Gestaltung des digitalen Verkaufsprozesses beim Kunden respektive dem Verkauf beginne. Auch seien die dafür notwendigen Daten typischerweise in Unternehmenssystemen wie PDM (Produkt-Daten-Management), PIM (Product Information Management) und ERP (Enterprise Resource Planing) vorhanden, doch «stehen sie selten in einer direkt nutzbaren Form zur Verfügung». Es mangle an der Vernetzung dieser Daten.

Ausserdem zeige der Praxisalltag, dass die notwendigen Vorarbeiten zur Spezifikation der Produkte meist in mehreren Iterationsschleifen zwischen Kunde, Verkaufsteam und Engineering des Produzenten erarbeitet würden. Anspruchsvoll für den Verkauf sei aber nicht nur, die Wünsche des Kunden in die eigene Produktepalette zu übersetzen. Vielmehr sollte er diese Wünsche möglichst mit einem konfigurierten Standardprodukt oder aus bestehenden Standardkomponenten anbieten können. Das Salesteam stehe hier vor zahlreichen Fragen, deren Beantwortung immer wieder Rücksprachen erforderten. Welche Komponenten sind für kundenindividuelle Anpassungen vorgesehen? Welche Wünsche lassen sich durch das Austauschen einzelner Komponenten erfüllen? Welchen Reifegrad und welche funktionale Zuverlässigkeit hat diese neue Kombination? Welchen Einfluss hat die Anpassung eines Produkts oder einer Komponente auf das Gesamtsystem? Ist eine Veränderung technisch sinnvoll und auch umsetzbar? Dabei interessiere vor allem der Einfluss auf den Liefertermin, die entstehenden Kosten, Auswirkungen auf die Produktzertifizierung und die Frage, ob die vom Kunden gewünschten Produkte mit derselben Qualität produziert, betrieben und gewartet werden können.

Problematisch sei allerdings, dass eine solche Abstimmung heute meist per Telefon oder E-Mail stattfinde, also in einer Kommunikation, die nicht auswertbar und schon gar nicht weiter verarbeitbar sei im Sinne einer digitalen Prozesskette.

Strukturiert und interaktiv arbeiten

Abhilfe wäre möglich, wenn die Daten für die Kunden in einer frühen Phase der Entscheidungsfindung in digitaler Form zu Verfügung stünden. Die Kunden könnten sich so selbst über die Vor- und Nachteile der Produkte informieren. Oder der Verkauf werde in die Lage versetzt, in einem virtuellen, digitalen Showroom die Vor- und Nachteile der Produkte interaktiver zu präsentieren.

Nicht anders, also in strukturierter digitaler Form, sollten die Kundenanforderungen im Verkaufsprozess aufgenommen werden, um automatisch Vorschläge für konfigurierte Standardprodukte anzubieten. Noch mehr Potenzial liege in den Modifikationswünschen. Seien sie strukturiert erfasst, erlaube das eine produktbezogene digitale Kommunikation zwischen Kunden, Verkauf und Engineering.

Für Egli und Egloff steht ausser Frage, dass die Anforderungen des Kunden sowie deren Veränderungen künftig in einem smarten – digital vernetzten – Verkaufsprozess jederzeit nachvollziehbar sein werden. Die Individualisierung kann so vertieft, Änderungswünsche können einfacher als bisher realisiert werden. In der Folge, betonen sie, reduziere ein derart digitalisierter Prozessablauf die Time-to-Market oder Time-to-Customer, erhöhe die Qualität der Produkte und stärke die Kundenbindung. Kurz: Der Verkauf sei in der Lage, den Kunden im gesamten Ablauf von Produkteauswahl über die Anforderungsdefinition bis hin zu Service und Unterhalt besser zu unterstützen.

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